Die Washingtoner Medien, Fernsehen wie Online, schliefen eine gute halbe Stunde länger, bevor sie die Ehrung so ungläubig zur Kenntnis nahmen wie ein Schneetreiben im Juli.

Ausgeschlafene Konservative reagierten mit Sarkasmus ("Erst jetzt? Warum nicht schon im letzten Jahr?") und Vorfreude auf kommende Redeschlachten, wenn sie den frisch gekürten Friedensapostel über das Wasser des Potomac schicken und untergehen sehen wollen. Selbst unter Anhängern Barack Obamas überwog Staunen und etwas wie peinliche Berührtheit. Noch eine himmelhohe Erwartung mehr. Ein Grund eher zur Sorge als zur Freude.

Kälter hätte es die US-Hauptstadt kaum erwischen können. Selbst das Weiße Haus hatte offenbar den Chef kaum neun Monate nach seinem Amtsantritt nicht auf der Osloer Liste vermutet. Beim Nachrichtensender CNN gestand das Anchor-Duo als Erstes um 6.15 Uhr Ortszeit ohne Scham "offene Münder vor Staunen über eine Nachricht aus dem Nirgendwo".

Die Kabelkonkurrenz bei "Morning Joe" mit dem Republikaner Joe Scarborough und der liberaleren Mika Brzezinski, Tochter von Jimmy Carters ehemaligem Sicherheitsberater, schwiegen noch länger zum Thema. Der Gouverneurswahlkampf in Virginia war wichtiger. So wie bei CNN bald der Countdown bis zum Aufprall der US-Rakete auf dem Mond, einer kreativen Entsorgung von zwei Tonnen Raummüll. Oslo liegt Washington kaum näher als der Mond, auch an normalen Tagen.

Sogar im Internet regierten die Spätaufsteher. Die linksliberale Web-Zeitung "Huffington Post" begnügte sich noch um 6.30 Uhr mit der stundenalten Hauptzeile: "Es wird Jahre dauern, bevor die Jobs zurückkehren". Zu dieser Zeit hatte "Drudge Report", Barack Obama in inniger Feindseligkeit zugetan, immerhin schon eine lange Meldung der Nachrichtenagentur AP zur Entscheidung in Oslo aufgemacht. Bis heute hält sich Matt Drudge viel darauf zugute, einst den Lewinsky-Skandal aufgedeckt und Bill Clinton mit Verachtung verfolgt zu haben. Für Obama ist er bereit, denselben Beschattungsaufwand zu treiben. "Können wir uns jetzt darauf einigen, dass der Friedensnobelpreis ein Witz ist?", wurden unterdessen CNN-Zuschauer zitiert.

Die aus dem Bett geklingelten TV-Kommentatoren verständigten sich nach dem ersten Schrecken immerhin darauf, dass es ein guter Tag sei, wenn Amerika siege. Ob im Tennis, Golf oder vor einem obskuren Preiskomitee im fernen Oslo. Genau eine Woche zuvor war Barack Obama gedemütigt aus Kopenhagen zurückgekehrt, wo seine Werbung für Chicago als Olympiastadt 2016 das IOC kaltgelassen hatte. Zudem fährt die Ehrung wie ein Sonnenstrahl aus dem gewittrigen Himmel auf Obama nieder; die düsteren Nachrichten aus der Heimat konkurrierten am Morgen mit dem Nobelpreis: Der Dollar ist seit seinem Amtsantritt um zwölf Prozent gefallen, die Arbeitslosenquote auf fast zehn Prozent gestiegen; noch nie sind so viele GIs in Afghanistan gefallen wie in diesem Herbst.

"Obama wird für Absichten geehrt, nicht für Ergebnisse", so der Konsens. Der Preis sei ein Kredit, eine Wette, keine Würdigung. Theodore Roosevelt 1909 wurde ausgezeichnet für seine Vermittlung im russisch-japanischen Krieg, Woodrow Wilson für die Schöpfung des Völkerbundes. Keine dieser Leistungen hatte vor der Geschichte Bestand. Barack Obama, der dritte amtierende US-Präsident mit Nobel-Würde - wie wird er am Ende dastehen?

Joe Scarborough ist überzeugt, dass die Preise für Jimmy Carter und Al Gore vor allem als Affront gegen George W. Bush gemeint waren. Er sieht Obamas Ehrung als letztes Revanchefoul der Europäer an Bush. Einer seiner Gäste vermutete, die Europäer wollten Obama auf diese Weise gegenüber dem Iran zur Friedfertigkeit zwingen. Ein Friedensnobelpreisträger könne schlecht einen Krieg anzetteln. Etliche meinen, die Auszeichnung bringe für den Präsidenten nur Nachteile. Obama werde sicher einen eleganten Weg finden, ihn abzulehnen oder ihn segensreich umzuwidmen.

Obamas engster Berater David Axelrod druckste am Telefon herum. Er sei erstaunt und für seinen Chef geschmeichelt, der in den vergangenen beiden Jahren vieles erreicht habe, was niemand für möglich hielt. Er nehme die Osloer Begründung beim Wort und hüte sich, sie auf eine versteckte politische Agenda zu hinterfragen.