Jetzt fehlen noch die Unterschriften von Polen und Tschechien. Schwedische Ratspräsidentschaft macht Druck.

Hamburg. Die Freude und Erleichterung ist in Europa groß. Ein gutes Jahr nach dem Nein der Iren zum EU-Reformvertrag von Lissabon haben sie ihm in einem zweiten Referendum am Wochenende deutlich zugestimmt. 67,1 Prozent der Iren nahmen den Vertrag, der die Union demokratischer und handlungsfähiger machen soll, an. Der irische Premierminister Brian Cowen sprach von einem "großen Tag für Irland und für Europa". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt sich "sehr glücklich über den Ausgang des Referendums". Damit steigt der Druck auf Polen und Tschechien, den Lissabon-Vertrag als letzte der 27 EU-Länder zur ratifizieren. Das Abendblatt erklärt die wichtigsten Fragen:

Warum haben die Iren im zweiten Anlauf Ja gesagt?

Im Gegensatz zu dem Referendum vor einem Jahr warben die Regierung, Opposition und Wirtschaft diesmal intensiv und überzeugend für eine Zustimmung der drei Millionen wahlberechtigten Iren. Eine große Rolle spielte dabei die Wirtschaftskrise, die das ehemalige Boom-Land voll erfasst hat. Ein Ja zum Lissabon-Vertrag, so wurde vermittelt, könnte die Wirtschaftslage verbessern und Jobs schaffen.

Ist die EU jetzt aus der Krise?

Das hängt von der noch ausstehenden Zustimmung von Polen und Tschechien und auch dem Verhalten Großbritanniens ab. Der tschechische Präsident Vaclav Claus wartet dafür die Entscheidung des Verfassungsgerichts im Herbst ab. Zögert er seine Unterschrift bis zu den britischen Wahlen im Frühjahr 2010 hinaus, hätte er einen neuen starken Verbündeten. Der Chef der britischen Konservativen, David Cameron, dem gute Chancen auf den Wahlsieg eingeräumt werden, will die bereits erfolgte Ratifizierung rückgängig machen und ein Referendum abhalten.

Wie wahrscheinlich ist Polens und Tschechiens Zustimmung?

Polens Präsident Lech Kaczynski hat bereits angekündigt, dass er nach dem irischen Ja auch unterschreiben will. Der tschechische Präsident Claus hat jedoch am Wochenende deutlich gemacht, dass er noch nicht über eine Unterschrift nachdenke. Der laufenden Klage vor dem Verfassungsgericht wird keine große Chance eingeräumt. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft will deswegen den Druck jetzt erhöhen. An diesem Mittwoch treffen sich deswegen Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Tschechiens Regierungschef Jan Fischer.

Wann tritt der Reformvertrag in Kraft?

Theoretisch könnte der Vertrag am 1. Januar 2010 in Kraft treten. Dafür müssten alle Unterschriften zügig geleistet werden. Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt will bereits beim EU-Gipfel am 29. und 30. Oktober festlegen, wer die neuen Spitzenposten des ständigen Ratspräsidenten und des Hohen Repräsentanten für die Außenpolitik erhält, die der Lissabon-Vertrag schafft.

Wie wird der Lissabon-Vertrag die EU verändern?

Seit acht Jahren ringt die EU um den neuen Reformvertrag, der sie handlungsfähiger machen soll. Viele Beschlüsse sollen nicht mehr einstimmig getroffen werden, es reicht meistens eine qualifizierte Mehrheit. Für eine Entscheidung ist ab 2014 die Zustimmung von mindestens 55 Prozent der Staaten notwendig, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen müssen. Die EU-Abgeordneten bekommen mehr Mitsprache in Finanzfragen, bei der Wahl des Kommissionspräsidenten und bei Justiz- und Einwanderungspolitik.

Welche Politiker nehmen Schlüsselrollen ein?

Die beiden neuen Spitzenpositionen sind ein ständiger Ratspräsident und ein "EU-Außenminister", der mehr Macht haben soll als der bisherige Hohe Repräsentant für die Außenpolitik, Javier Solana. Dafür sind der schwedischer Chefdiplomat Carl Bildt und der EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn im Gespräch. Als Ratspräsident, der den Europäischen Rat künftig für zweieinhalb Jahre leiten soll, werden der ehemalige britische Premier Tony Blair und Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker gehandelt.