Alljährlich gedenken die Mexikaner der Unabhängigkeitserklärung ihres Landes von der Kolonialmacht Spanien im Jahre 1810. Höhepunkt der Festlichkeiten ist der traditionelle “Grito“, der Ausruf “Viva Mexico“ mit der Forderung nach Unabhängigkeit.

Mexiko-Stadt. Auch in diesem Jahr verfolgten mehrere Zehntausend Menschen den Auftritt von Präsident Felipe Calderón auf einem Balkon des Nationalpalasts.

Allerdings ist die Atmosphäre in diesem Jahr außergewöhnlich gespannt. Folgte der Unabhängigkeitserklärung damals ein bis 1821 währender Unabhängigkeitskrieg, befindet sich das mittelamerikanische Land heute in einem nicht enden wollenden Drogenkrieg. In Mexiko-Stadt wurden deshalb mehr als 10 000 Polizisten auf dem Zocalo, dem zentralen Platz der Hauptstadt, in Bereitschaft versetzt, um einen ruhigen Verlauf der Feierlichkeiten zu garantieren.

Überschattet wurde der Unabhängigkeitstag aber von neuen Verbrechen der organisierten Kriminalität mit mindestens 21 Toten in der Provinz. Die Leichen der Opfer wurden in den Grenzstädten Tijuana und Ciudad Juarez gefunden. Beide Städte sind zentrale Knotenpunkte für den Schmuggel von Rauschgift aus Lateinamerika in die USA.

In einem brennenden Kleinwagen in Tijuana fanden Feuerwehrleute die Leichen von sechs Menschen - vier auf den Sitzen und zwei im Kofferraum. Bei drei weiteren Schießereien in Ciudad Juarez kamen 15 Menschen ums Leben. Auch aus dem Süden des Landes wurde ein Verbrechen gemeldet, das vermutlich in Beziehung zum Drogenhandel steht: Dort wurden in der Nähe der Grenze zu Guatemala die von Kugeln durchsiebten Leichen von acht Männern gefunden.

Die brutalen Drogenbosse sind die eine Seite des Problems, mit dem Mexiko zu kämpfen hat. Die andere ist die korrupte Polizei. Wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Drogenhändlern sind 31 Polizisten festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder eines Drogenrings geschützt zu haben. Bei Verhaftungen von Mitgliedern des Kartells hatte die Polizei im Oktober 2008 Hinweise darauf gefunden, dass die Verbrecherorganisation "Schutzgelder" an die Polizei gezahlt hatte. In der Hauptstadt des Bundesstaates Hidalgo, Pachuca, waren wegen der Vorwürfe Ende Juni bereits 92 Polizisten festgenommen worden, darunter auch der Polizeichef.

Immerhin gelang den Behörden mit der Festnahme von Ignacio Paez Soto alias Nachillo Paez, einem führenden Mitglied der Mayo-Zambada-Drogengang, ein bedeutender Schlag gegen die Mafia. Soto galt als eine der Hauptfiguren im Kokain-Handel mit den USA.

Die Bewohner der Stadt Morelia gedachten der Opfer eines bewaffneten Überfalls auf das Fest zum Nationalfeiertag vor einem Jahr. Damals wurden acht Menschen getötet und 106 verletzt. Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu rief die Mexikaner auf, sich einer "Kultur der Angst" zu widersetzen und nicht von Drogenbanden einschüchtern zu lassen. "Wir dürfen nicht unser Recht verlieren, auf der Straße zu sein", sagte die Bürgerrechtlerin aus Guatemala in Morelia. Zur Sicherheit wurden Scharfschützen auf den Dächern der Provinzhauptstadt postiert, die für ihre Häuser aus der Kolonialzeit bekannt ist.