Schon wenige Stunden nach der Präsidentenwahl in Afghanistan waren Hinweise auf massive Manipulationen seitens der Anhänger von Präsident Hamid Karsai aufgetaucht. Doch wenn neue, geradezu unglaubliche Vorwürfe zutreffen, steht die Legitimation des Urnengangs stark infrage.

Hamburg/Kabul. Wie die "New York Times" berichtete, hatten die Führer des einflussreichen Bariz-Stammes im Süden Afghanistans vor der Wahl entschieden, diesmal nicht für den als korrupt geltenden Karsai zu stimmen, sondern für seinen schärfsten Rivalen, den Augenarzt und früheren Außenminister Abdullah Abdullah. Der spektakuläre Schwenk der Bariz sollte bei der Wahl in ihrer Heimatprovinz Shorabak einen "Erdrutsch" zugunsten Abdullahs auslösen.

Doch dazu kam es nicht. Handlanger von Ahmed Wali Karsai, dem jüngeren Bruder von Hamid Karsai, Chef des Provinzrats von Kandahar und mächtigster Mann im Süden, ließ den Gouverneur von Shorabak, Delaga Bariz, einfach in Kandahar festsetzen und sämtliche 45 Wahllokale des Distrikts am Wahltag schließen. Dem empörten Bariz wurde ganz offen mitgeteilt, warum er nicht nach Hause reisen dürfe: "Weil dein ganzer Stamm für Dr. Abdullah stimmen will." Zwei Stammesführer der Bariz, die mit der Beaufsichtigung der Wahl beauftragt worden waren, berichteten, die Urnen seien niemals in den Wahllokalen angekommen. Einer der beiden, Fazul Mohammed, sagte, er sei daraufhin zum Hauptquartier der Distriktverwaltung gegangen. Dort traute er seinen Augen nicht: "Die Grenzpolizei stopfte die Urnen mit ausgefüllten Wahlzetteln voll. Andere zählten sie aus." Später erfuhr Mohammed, dass in der Provinz 23 900 Stimmen für Karsai abgegeben worden seien. "Und keine Einzige für Abdullah." Indessen hielt die Gewalt im Land auch gestern an. Bei der Einweihung einer Moschee in Mehterlam, 100 Kilometer östlich von Kabul, sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. Mindestens 23 Menschen wurden getötet, darunter der stellvertretende afghanische Geheimdienstchef Abdullah Laghman sowie hochrangige Vertreter der Provinz Laghman. Dutzende wurden verletzt.Die radikalislamischen Taliban bekannten sich zu dem Anschlag.