Italiens Premier lädt zum Treffen der Mächtigen ins Erdbebengebiet und hofft auf Hilfe beim Wiederaufbau. Tausende hausen noch in Zelten.

Hamburg/Rom. Der G8-Gipfel in L'Aquila - die Nachricht klang im April wie ein schlechter Scherz. Ein verheerendes Erdbeben hatte die Abruzzen-Hauptstadt gerade erst erschüttert, dabei fast 300 Menschen getötet und Zigtausende obdachlos gemacht. In einem Trümmerhaufen sollten die mächtigsten Staatenlenker tagen und hier nach Lösungen in der Wirtschaftskrise, im Klimawandel und der Entwicklungspolitik suchen? Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi fand, dass das Katastrophengebiet genau der richtige Ort für das nächste Gipfeltreffen der sieben führenden Industrienationen und Russlands sein sollte.

Der Insel La Maddalena vor Sardinien, die zuerst den Zuschlag für das prestigeträchtige Treffen erhalten hatte, sagte der Premier kurzerhand ab. Abgesagt war damit auch der geplante Ausflug der G8-Lenker mit einem Kreuzfahrtschiff nach Neapel. Dort wollte Berlusconi ihnen eine von Müll, Mafia und Korruption bereinigte Stadt präsentieren und sich für den Wandel Neapels ein wenig feiern lassen. Nun aber verkündete Italiens Regierungschef nur das Gipfelprogramm auf dem Kreuzfahrtschiff vor Neapel, betonte gleichwohl, dass die Verlegung wegen des geringeren Sicherheitsaufwands viele Millionen Euro spare. "Wir werden keine schlechte Figur machen, L'Aquila wird Hauptstadt der Politik", besänftigte er die Kritiker.

L'Aquilas Bürgermeister Massimo Cialente reagierte anfangs verhalten auf die Idee. Das werde "sehr kompliziert" werden, warnte Cialente vorsichtshalber.

Und es wird kompliziert. Der Wiederaufbau ist nur schleppend vorangekommen, die Zerstörungen sind allenthalben sichtbar. Immer wieder gibt es kleinere Beben. Und nun muss der Ort während der Gipfelwoche auch noch sein öffentliches Leben einstellen. Geschäfte schließen, und die Universität, die ohnehin nur noch als Zeltstadt am Leben gehalten wird, lässt ihren Betrieb ruhen. Tausende Polizisten werden zudem den 70 000-Einwohner-Ort bevölkern.

Am Mittwoch, wenn der Scheinwerfer der Welt wieder auf L'Aquila fällt, wird noch einmal die Tragödie vom 6. April sichtbar. Und nur darum geht es Berlusconi. Die Medien werden erzählen, dass Tausende obdachlos gewordene Bürger noch immer in Zelten leben. Sie werden Bilder zeigen von Trümmern, von gesperrten Straßen und von den G8-Staatschefs, die auf dem unbeschädigten Gelände einer Unteroffiziersschule der Finanzpolizei untergebracht sind. Sie werden berichten, dass L'Aquila einen der bedeutendsten Stadtkerne Italiens hat und dass es 13 Milliarden Euro bedarf, um die 1800 beschädigten Gebäude der Altstadt zu restaurieren.

Aber die Bürger sind skeptisch, ob der Gipfel dem Ort wirtschaftlich helfen kann. Schließlich werden die Delegationen der großen acht, dazu der von 30 weiteren Staaten plus Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi mitsamt Zelt ihre meiste Zeit abgeschirmt auf dem Kasernengelände verbringen.

Aber es soll Ausflüge geben, und die könnten das erhoffte Geld in den Wiederaufbau spülen. Bereits vor dem Gipfelbeginn will Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gemeinde Onna besuchen. Für den Wiederaufbau der zerstörten Kirche hat die Bundesregierung bereits die ersten drei Millionen Euro zugesagt. Eine Delegation aus Frankreich hat eine Kirche in L'Aquila als mögliches Unterstützungsprojekt ausgeguckt. Und US-Präsident Barack Obama soll sich nach dem Willen Berlusconis die Kirche Santa Maria di Paganica ansehen, die im Beben Dach, Kuppel und Glockenturm verlor. Beim Ansehen allein soll es natürlich nicht bleiben. Damit Obama L'Aquila Finanzhilfen zusagt, hat Berlusconi dem Präsidenten ungefragt einen kleinen Gefallen getan: Für den US-Präsidenten ist auf dem Tagungsgelände ein Basketballfeld angelegt worden.