Benjamin M. saß gerade im Leopold-Cafe in der Touristengegend Colaba in Bombay, als plötzlich zwei Meter neben ihm ein Sprengsatz detonierte. Am Telefon schilderte er abendblatt.de, wie er den Anschlag überlebte.

Bombay/Hamburg. "Ich hatte mich gestern Abend gegen 20 Uhr mit einem anderen Deutschen im Leopold-Cafe in der Touristengegend von Bombay zum Abendessen verabredet. Gegen 22 Uhr wurde auf einmal ein Sprengsatz in das Restaurant geworfen und explodierte etwa zwei Meter neben meinem Stuhl unter dem Nachbartisch", erzählt Benjamin M. "Das Fatale war, dass ich mit dem Rücken zum Haupteingang saß, von wo aus die Terroristen angriffen."

Der 26-Jährige stürzte auf den Boden. "In Sekundenschnelle brach Panik aus und jeder rannte ziellos auseinander", berichtet M.. Der Norderstedter wollte nur noch raus. Er blickte sich noch nach seinem Freund um, konnte aber in dem Chaos niemanden mehr erkennen. "Es war ein absolutes Durcheinander. Jeder musste versuchen, sich zu retten." Blind vor Explosionsstaub und herumirrenden Menschen robbte er sich in Richtung Seitenausgang und flüchtete in eine Sackgasse.

Direkt nach der Detonation des Sprengsatzes schossen die Terroristen mit Schnellfeuerwaffen wahllos in die Touristenmenge. "Es war das erste Mal, dass bewusst Westeuropäer zum Ziel der islamistischen Terroristen wurden." Das Leopold-Cafe ist ein für Touristen beliebter Treffpunkt. Einheimische verkehren in dem Restaurant in aller Regel nicht. Bei dem Anschlag wurden dort insgesamt sieben Menschen getötet.

M. war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und versuchte, sich von dem Anschlagsort wegzubewegen. Da er so schnell keinen Unterschlupf finden konnte, klopfte er an verschiedenen Haustüren, bis ihm jemand öffnete und ihn herein ließ. Erstmal in Sicherheit, bemerkte der 26-Jährige, dass auch er getroffen war. Als erstes sah er die Blutflecken auf seiner Hose und merkte, dass er sowohl am Oberschenkel, als auch an der Hüfte und am Fuß verwundet war. Wenig später, als er im Haus der indischen Familie in den Spiegel blickte, entdeckte er auch Schnitte in seinem Gesicht.

Der Außenhandelskaufmann rief das deutsche Konsulat an und schilderte seine Situation.

Kurz darauf wurde er abgeholt und zusammen mit einem Belgier und einem Australier, die ebenfalls Opfer der Anschläge in Bombay geworden waren, in eine Diplomatenwohnung gebracht. Diese befand sich jedoch inmitten des Terror-Zentrums in Colaba, so dass der 26-Jährige erst heute ins Krankenhaus gebracht werden konnte. "Ich musste mich selbst versorgen. Die Situation in Colaba war lebensgefährlich. Es wurde bis in die späte Nacht hinein geschossen." Heute, nach dem Röntgen, dann die Diagnose: M. wurde durch den Anschlag von fünf Granatsplitter getroffen, die man jedoch gegenwärtig nicht entfernen kann.

Der Auswanderer kann es immer noch nicht richtig fassen, was er derzeit miterlebt. "In Bombay herrscht momentan eine ungewohnte Stille. Die Straßen sind ungewohnt leer, die Geschäfte geschlossen." Noch ist nicht klar, wie es weitergehen wird. Heute will sich der Norderstedter noch ausruhen.

Benjamin M. arbeitet seit Oktober als Außenhandelskaufmann eines Handelskonzerns für Industrie- und Agrarchemikalien in Bombay. Von 2001 bis 2004 machte er dort in Hamburg seine Ausbildung, stieg anschließend als Projektmanager mit in den Betrieb ein und entschied sich dann Mitte dieses Jahres, seine Heimat Hamburg vorerst zu verlassen, um das Büro in Bombay zu unterstützen. Der 26-Jährige lebt in einer kleinen Wohnung am Stadtrand von der Millionenstadt in Bandra.

"Wichtig ist für mich, dass meine Familie und meine Freunde erstmal beruhigt sind. Mir geht es soweit gut und ich werde ab morgen auch wieder arbeiten." Sein Kollege, mit dem er gestern Abend zum Essen verabredet war, kam ebenfalls mit einem Schock davon.

Doch für viele wird der Alltag nicht so schnell wieder kehren: Bei der Anschlagsserie starben mehr als 100 Menschen, knapp 300 wurden verletzt.