Die CSU-Politikerin verhandelte zäh, berichten Teilnehmer. Doch Beschlüsse bringen deutschen Bauern Einbußen.

Brüssel/Berlin. Sie hatte ihre Pressekonferenz in Brüssel gestern Vormittag gerade beendet, da hörte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner schon die Kritik aus Deutschland. Die Beschlüsse der Agrarminister der Europäischen Union (EU) seien "absolut marktwidrig und den Bauern nur schwer zu vermitteln", kritisierte der Deutsche Bauernverband. Die Landwirte im Freistaat Sachsen bezeichneten die Subventionskürzungen als "ungerecht". Und auch der Bioland-Verband und der Umweltverband WWF zeigte sich enttäuscht über die "mutlosen" Beschlüsse der 27 Minister.

Die mehr als 40-stündige Zusammenkunft der EU-Agrarminister im Brüsseler Ratsgebäude Justus Lipsius an der Rue de la Loi war Aigners erster Auftritt in diesem Kreis. Seit drei Wochen ist die CSU-Politikerin als Nachfolgerin von Horst Seehofer im Amt, der als Ministerpräsident nach München wechselte - Beratungen über eine Umverteilung der Subventionen in der Landwirtschaft wurden zu ihrer Feuertaufe.

Nachdem die 43 Jahre alte Ministerin sich am Dienstagabend und Mittwochvormittag schon mit Fischfangquoten und kostenlosen Obsttellern für die europäischen Schulkinder beschäftigt hatte, wurde es am Mittwoch um 14 Uhr ernst. Unter Leitung des französischen Landwirtschaftsministers Michel Barnier diskutierten die 26 Politiker mit EU-Agrar-Kommissarin Mariann Fischer Boel die Neuordnung der Agrar-Subventionen, immerhin jährlich rund 50 Milliarden Euro, bis 2013. Der Vorschlag von EU-Kommission und französischer Ratspräsidentschaft sah Einbußen für Deutschland in Höhe von bis zu 425 Millionen Euro vor. Aigner und ihr Staatssekretär Gert Lindemann lehnten dies strikt ab.

Um 16 Uhr bat Barnier seine Kollegin in den "Beichtstuhl" - EU-Jargon für ein vertrauliches Gespräch, in dem der Ratspräsident den Verhandlungsspielraum der einzelnen Länder auslotet und auch Druck ausübt.

Die Verhandlungen zogen sich hin. "Die Ministerin war immer anwesend und wach", so einer der Teilnehmer. Zur Stärkung gab es im vierten Stock des Ratsgebäudes Brötchen und Kaffee, gegen Mitternacht telefonierte Aigner mit ihrem Amtsvorgänger Seehofer. Zwei Stunden später musste die Ministerin erneut in den "Beichtstuhl". Barnier erlebte die deutsche Kollegin als "hartnäckig und zäh". Nach mehr als 18 Stunden war die Einigung gestern um 8.30 Uhr da. "Ich bin freundlich aufgenommen worden, aber es war eine schwierige Verhandlungssituation", sagte Aigner vor der Presse.

Das Ergebnis könne sich sehen lassen. Alle Seiten komplett zufriedenzustellen "dürfte sehr schwierig sein", so die Ministerin. "Ich werde gerne in Gesprächen versuchen, darzustellen, was sonst noch alles hätte passieren können." EU-Kommissarin Fischer Boel lobte die deutsche Vertreterin: "Sie hat hart verhandelt, wir mussten zurückstecken."

Ausruhen konnte sich Aigner gestern nicht: Am Nachmittag kehrte sie nach Berlin zurück, absolvierte abends Termine. Heute besucht sie ihren Wahlkreis Starnberg.