Minister Jung warnt vor neuer Debatte. Erster Verdächtiger festgenommen. Trauerfeier in Zweibrücken.

Kabul/Berlin. Die Internationale Schutztruppe Isaf benötigte mehr als drei Stunden, um eine Pressemitteilung zum Anschlag auf die Bundeswehr zu verbreiten. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der seinen Urlaub abbrach, äußerte sich erst nach gut zehn Stunden. Und erst 24 Stunden später rang sich sein Ministerium dazu durch, die Umstände des Attentats zu schildern.

Danach sollte es eine Operation für mehr Sicherheit werden, die am Ende zwei Bundeswehrsoldaten das Leben kostete: einen 25-jährigen Stabsunteroffizier und einen 22 Jahre alten Stabsgefreiten.

Die deutschen Soldaten, insgesamt 160 Fallschirmjäger, waren gemeinsam mit 30 afghanischen Soldaten zu dem Einsatz im nordafghanischen Kundus ausgerückt, um nach Verstecken von Waffen zu suchen, mit denen ihr Lager immer wieder beschossen worden war. Der Selbstmordattentäter, so Jung, sei mit seinem Fahrrad neben einen gepanzerten Lastwagen des Typs "Mungo" gefahren . Als die Soldaten ausgestiegen seien, habe er sich in die Luft gesprengt, hieß es aus Kundus.

Jung räumte ein, dass die Bundeswehr solchen Attentaten oft wehrlos gegenüberstehe. Es sei aber "jetzt nicht die Stunde, die Frage 'Krieg oder nicht Krieg' zu diskutieren". Jung warnte zugleich davor, jetzt eine Abzugsdebatte zu führen. "Das wäre ein schwerer Fehler", sagte Jung. Ähnlich sah das Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt: "Diese Anschläge haben weder die Gründe noch die Legitimation für den deutschen Einsatz in Afghanistan geändert", sagte Erler dem Abendblatt. "Wir bemühen uns dort, der gewählten Regierung die Fähigkeiten zu verschaffen, sich selbst zu verteidigen gegen die Aufständischen und Terroristen." Die Weltgemeinschaft müsse verhindern, dass die Taliban und al-Qaida-Netzwerke nach Afghanistan zurückkehren und wieder Anschläge gegen Einrichtungen in der ganzen Welt planen und vorbereiten könnten.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte dem Abendblatt: "Wir sind dort, weil es um unsere Interessen geht - nicht nur um die Frage: Gibt es dort wieder Terrorcamps? Ein "failing state" Afghanistan würde die ganze Region, speziell Pakistan, zusätzlich in eine Spirale reißen mit unglaublichen Risiken für die Welt." Niemand könne in Kauf nehmen, "dass dieses Land wieder in einen Bürgerkrieg unter einer Taliban-Herrschaft zurückfällt, bei der Menschenleben überhaupt nichts mehr wert sind." Und der Grünen-Sicherheitspolitiker Winfried Nachtwei sagte dem Abendblatt: "Die Alternative eines sofortigen Rückzugs hieße schneller Bürgerkrieg und Talibanisierung." Das glaubt auch Wolfgang Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr: Wenn Afghanistan erneut ein Zentrum des Terrorismus würde, wäre das auch eine Bedrohung für Deutschland.

Die afghanische Polizei nahm inzwischen mindestens einen Verdächtigen fest. Ein Mullah aus einer Moschee in der Gegend von Kundus sei entkommen, hieß es. Man vermute, diese Männer seien in den Anschlag verwickelt gewesen, bei dem neben den deutschen Soldaten auch fünf afghanische Kinder getötet worden waren.

Nach Trauerfeiern in Kundus werden die getöteten deutschen Soldaten des Fallschirmbataillons 263 aus Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) heute mit einem Luftwaffenairbus in ihre Garnisonsstadt geflogen. Am Freitag nehmen dort Angehörige und Soldaten Abschied von den beiden Fallschirmjägern.