Kongress und Regierung wollen weiter verhandeln, derweil werfen sich Obama und McCain gegenseitig Versagen vor.

Washington. In einer unerwartet anberaumten Fernsehansprache an die Amerikaner hat US-Präsident George W. Bush vor "schmerzhaften und dauerhaften" Schäden für die Wirtschaft gewarnt, falls der von seiner Regierung vorgeschlagene Rettungsplan für die Finanzbranche nicht rasch vom Kongress verabschiedet wird. Die Abgeordneten müssten unbedingt handeln, erklärte Bush und sagte, er sei "sehr enttäuscht" über das Scheitern des Pakets. Das Repräsentantenhaus hatte das 700-Milliarden-Dollar-Paket am Montagabend abgelehnt, wobei der größte Widerstand aus Bushs eigener republikanischer Partei kam.

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Die Wirtschaft warte auf ein "entschlossenes Handeln" vonseiten der Regierung, sagte Bush. Den Bürgern der USA und in aller Welt wolle er versichern, dass dies nicht das Ende des parlamentarischen Verfahrens sei. Bush räumte ein, dass 700 Milliarden Dollar eine riesige Summe seien, aber allein durch den Absturz der New Yorker Börse von Montag sei eine Billion Dollar vernichtet worden.

Zuvor hatte die Regierung bereits einen weiteren Anlauf gestartet, um den Kongress zur Annahme ihres Plans zu bewegen. "Wir arbeiten daran, eine Strategie zu entwickeln", erklärte Bush. Finanzminister Henry Paulson ergänzte: "Wir müssen etwas neu zusammenstellen, was funktioniert - so schnell wie möglich."

Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte, Paulson und andere Regierungsmitarbeiter führten mit der Führung von Repräsentantenhaus und Senat Gespräche, wie der Rettungsplan doch noch durch den Kongress gebracht werden könne. Auch andere Optionen zur Stabilisierung der Finanzmärkte würden diskutiert. Die Abgeordneten zogen sich für einen Feiertag zurück und wollen morgen wieder zusammenkommen.

Nach dem Scheitern des Regierungsplans im Repräsentantenhaus machten sich die Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain gegenseitig für das Desaster verantwortlich.

Obama warf seinem republikanischen Rivalen vor, seit 20 Jahren gegen eine Regulierung des Finanzsystems gekämpft zu haben. "Senator, von welcher Wirtschaft sprechen Sie?", fragte Obama, der in Umfragen vor McCain liegt. Die USA könnten es sich nicht leisten, dass McCain diese Politik als Präsident fortsetze.

McCain konterte, der Demokrat stelle nicht das Land, sondern seine persönlichen Ziele an die erste Stelle. Der Präsidentschaftswahlkampf könne auf einen Nenner gebracht werden: "Das Land zuerst oder Obama zuerst?", sagte McCain und warf seinem Konkurrenten und der Demokratischen Partei vor, einen unnötigen Parteienstreit in die Diskussion um die Finanzkrise hineingebracht zu haben.

Im Repräsentantenhaus hatten zwei Drittel der Republikaner gegen das 700-Milliarden-Dollar-Paket gestimmt. Bei den Demokraten waren 40 Prozent dagegen.

Die republikanische Abgeordnete Marsha Blackburn, die dagegen gestimmt hatte, erklärte, es könne doch noch einen Kompromiss geben. Möglicherweise einige man sich bis zum Wochenende. Ihr Parteikollege Tom Price, der ebenfalls mit Nein gestimmt hatte, sagte, es sei wichtiger, die Abstimmung richtig hinzubekommen, als sie schnell über die Bühne gehen zu lassen. Die Republikanerin Marilyn Musgrave sagte: "Wir versuchen, uns die allerbeste Lösung für dieses Land auszudenken."

Das Platzen des von Bush und führenden Vertretern beider Parteien ausgehandelten Rettungsplans hatte am Montagabend an der Wall Street ein Beben ausgelöst; der Dow-Jones-Index schloss mit dem Rekordverlust von 777,68 Punkten oder 6,98 Prozent. Es war - gemessen in Punkten - der stärkste Einbruch in der Geschichte der New Yorker Börse, der sogar den Rückgang nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 übertraf.

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