Kämpfer gegen die Apartheid wird weltweit geliebt und gefeiert.

Hamburg. Es gibt nur wenige Menschen, die im öffentlichen Urteil und im Urteil der Geschichte so verehrt werden wie Nelson Mandela. Heute wird der Vater der südafrikanischen Nation 90 Jahre alt, und die ganze Welt gratuliert dem mittlerweile zerbrechlicher wirkenden, aber immer noch lebensfreudigen alten Herrn. Woraus speist sich diese fast ikonenhafte Verehrung, die dem einstigen Kämpfer gegen das zynische weiße Apartheidssystem am Kap weit über Afrikas Grenzen hinaus entgegengebracht wird?

Die Antwort hat viel zu tun mit dem Begriff Menschlichkeit. Der Sohn eines Dorfältesten des Xosa-Volkes, der in den Hügeln der Transkei aufwächst, eine Missionsschule besucht und später Jura studiert, tritt 1944 dem Afrikanischen Nationalkongress ANC bei. 1952 eröffnet er zusammen mit Oliver Tambo, einem anderen ANC-Mitglied, das erste schwarze Anwaltsbüro in Südafrika. Doch der zunächst gewaltlose Kampf Mandelas gegen das Buren-Regime und dessen Politik strikter Rassentrennung und Diskriminierung ist von kurzer Dauer. 1956 wird Mandela wegen Landesverrats angeklagt, später aber freigesprochen.

Der Kampf gegen die Apartheid nimmt nun bürgerkriegsähnliche Formen an, Mandela flieht 1961 ins Ausland und lässt sich im Guerilla-Kampf ausbilden. Bei seiner Rückkehr ein Jahr später wird er erneut verhaftet und 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Fünf Jahre davon verbringt der Staatsfeind mit der Nummer 466/64 auf der Gefängnisinsel Robben Island vor der Küste Kapstadts. Nach Jahrzehnten weltweiter internationaler Isolation und Druck auf die südafrikanische Regierung entlässt Staatspräsident Frederik Willem de Klerk 1990 seinen Gegenspieler aus der Haft, hebt das Verbot des ANC auf und beginnt mit Mandela Verhandlungen über ein demokratisches Südafrika. Ein Jahr später fallen die Apartheidsgesetze, der Freiheitskämpfer wird zum Präsidenten.

Was nun folgt ist eine einzigartige Geschichte. Nicht Rache an den Weißen oder Unterdrückung der burischen Minderheit bestimmen das Handeln des Präsidenten, sondern Versöhnung. "Niemals, niemals wieder wird in diesem Land eine Gruppe von Menschen die andere unterdrücken", schwor Mandela in seiner Antrittsrede als Präsident am 10. Mai 1994. Eine Botschaft der Menschlichkeit und die Antwort eines Humanisten auf die Menschenverachtung der burischen Herrenrasse.

"Wer Hass verspürt", so Mandela, kann nicht frei sein. In seinen Memoiren "Der lange Weg zur Freiheit" schreibt er über seine Haftzeit, "dass man das Unerträgliche ertragen kann, wenn man die Stärke seines Geistes bewahrt". Seine Gefängniswärter, die ihn zunächst als Terroristen bezeichneten, redeten ihn später mit "Mister Mandela" an. Sein Ansehen und seine moralische Autorität in der schwarzen Bevölkerung sind so groß, dass die radikalen Kräfte des ANC ihn nicht bedrohen können. Und die Mehrheit der Bevölkerung folgt seiner Philosophie: "Wenn ich verzeihen kann, könnt ihr es auch." 1993 erhält Mandela zusammen mit de Klerk den Friedensnobelpreis.

Seine Regierungszeit, die bis 1999 dauert, wird so zum Symbol der Hoffnung für ganz Afrika. Eine trügerische Hoffnung, wie das Beispiel Simbabwe gerade zeigt.

Nelson Mandela, der sich nach seinen eigenen Worten seinem Lebensende nähert, kann aber auch nicht glücklich sein mit dem, was sein Nachfolger Thabo Mbeki aus Südafrika gemacht hat. Aids hat das Land am Kap fest im Griff, soziale Unruhen und wachsende Kriminalität gefährden die demokratische Stabilität, unter den Weißen herrscht Sorge um die Zukunft. Verspielen die Nachfolger der Lichtgestalt Mandela, die in einem Atemzug mit Mahatma Gandhi oder Martin Luther King genannt wird, dessen Erbe? Das wäre mehr als tragisch, weil ganz Afrika ohne den von Mandela in seinem Land begonnenen Brückenbau zwischen Schwarz und Weiß, zwischen verfeindeten Kulturen und Stämmen ein Kontinent der Hoffnungslosigkeit bleiben wird.