Der kombinierte Einfluss der vereinigten Wirtschaftsführer von Davos übersteigt locker den der meisten Staatslenker der Erde.

Hamburg/Davos. Man könnte sich natürlich auch in Castrop-Rauxel treffen oder in Kyritz an der Knatter. Aber Davos mit seinem noblen Ski-Ambiente und der erregerarmen Höhenluft bietet den ungleich mondäneren Rahmen für weltweit führende Damen und Herren aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Präsidenten, Premiers, Vorstandsvorsitzende, aber auch Forscher und Filmschaffende. Die alle im Schatten von pittoresk aufragenden Bergen wie der Chüpfenflue ab heute Abend darüber nachdenken wollen, wie der bedenkliche Zustand der Welt zu verbessern sei.

Denn das ist der Sinn des Weltwirtschaftsforums, das nun wieder in Davos tagt. Es ist eine Veranstaltung, deren Bedeutung mit der Globalisierungswelle wuchs. Die Stiftung dazu wird von 1000 weltweit führenden Unternehmen getragen, die mindestens eine Milliarde Dollar Umsatz machen. Der Tabakladen an der Ecke ist somit in Davos nicht vertreten. Aber multinationale Unternehmen sind nach Schätzungen inzwischen eben an zwei Drittel des Welthandels beteiligt.

Befasst man sich mit dem jährlichen Treffen der rund zweieinhalbtausend "Global Player" in dem Schweizer Kurort, ist man unversehens mitten drin in der heiklen Elitendiskussion. Der kombinierte Einfluss der vereinigten Wirtschaftsführer von Davos übersteigt locker den der meisten Staatslenker der Erde; ihre wirtschaftliche Schlagkraft die der meisten Staaten. Dabei sind die Manager und Konzernchefs bei aller Macht gar nicht demokratisch legitimiert - anders als die meisten Regierungschefs der Welt. Zudem handelt es sich um eine Funktions- und Machtelite, die nicht notwendigerweise auch zur moralischen Elite zählt.

Das Weltwirtschaftsforum ist eng verbunden mit der Globalisierung - strittig ist jedoch, ob die im Jahre 1971 gegründete Tagung deren Konsequenz oder aber teilweise deren Ursache ist.

Die Globalisierung mit ihrer rasant zunehmenden internationalen Vernetzung in Wirtschaft, Politik, Kultur und Kommunikation, mit ihrer Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer und ihrer akuten Bedrohung von traditionellen mittelständischen Strukturen verlangt nach klugen Steuermöglichkeiten auch außerhalb der Regierungsebene.

Ein paar Fakten: Allein zwischen 1980 und 2004 stieg die Zahl der multinationalen Unternehmen von 17 000 auf fast 80 000. Zum Beispiel gibt es in mehr als 100 Staaten inzwischen Fast-Food-Ketten mit insgesamt 130 000 Filialen. Das von institutionellen Investoren verwaltete Vermögen wuchs von knapp drei Billionen Dollar 1980 auf mehr als 55 Billionen Dollar 2005. Der weltweite Aktienhandel stieg von 5,7 Billionen Dollar 1990 auf mehr als 51 Billionen Dollar im Jahre 2005. Und das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2004 bei 40 960 Milliarden US-Dollar - davon entfielen mit 31 618 Milliarden Dollar mehr als 77 Prozent auf die Industriestaaten. Das sind Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung.

Kritiker des Weltwirtschaftsforums führen ins Feld, dass die Tagung der globalen Machtelite in Davos in erster Linie den Interessen der ohnehin schon Reichen der Welt dient. Ein naheliegender Anwurf, der jedoch nur allzu leicht in sinistre Verschwörungstheorien mündet.

Zwar ist die Akkumulation der Macht in Davos nicht repräsentativ für die Bevölkerungen. Dafür werden in Davos auch keine konkreten Entscheidungen getroffen - wenn auch Weichen gestellt. Die Befürworter des exklusiven Treffens argumentieren, erst die geballte Präsenz von Entscheidern aus Wirtschaft und Politik könne zu Lösungen führen. Nötig sind sie allemal - die Öffnung und Deregulierung der globalen Märkte hat eine Eigendynamik entfaltet, die jeden zu überrollen droht, der nicht flexibel darauf reagieren kann.

Das Beispiel Mindestlohn zeigt das Dilemma. Lässt ein Staat Hungerlöhne zu, um mit der Konkurrenz in Osteuropa oder der Dritten Welt mitzuhalten, hat dies dramatische Konsequenzen für Teile seiner Gesellschaft. Legt er jedoch willkürlich einen sozial verträglicheren Lohn fest, kann dies Unternehmen ruinieren. Ein anderes Brand-Thema - die Hedgefonds, vulgo Heuschrecken - ist ein zentraler Punkt der Tagung.

Vor einem Jahr rief Bundeskanzlerin Angela Merkel als Eröffnungsrednerin in Davos dazu auf, die Globalisierung politisch zu gestalten. Die Politik dürfe die Schattenseiten der Globalisierung nicht ausblenden. "Wir brauchen eine Weltwirtschaft, die sich den Regeln eines Ordnungsrahmen verpflichtet", sagte sie. Alle könnten von der Globalisierung profitieren. Vorausgesetzt, man packe es richtig an.