Ministerpräsident Erdogan wirft Israels Präsidenten Schimon Peres vor: “Beim Töten kennen Sie sich gut aus.“

Hamburg. Seine wütende Abreise vom Weltwirtschaftsforum in Davos hat dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan den Jubel und Beifall seiner Landsleute beschert. Nachdem er im Streit mit Israels Staatspräsident Schimon Peres über den Gaza-Konflikt das Diskussionspodium in Davos verlassen hatte und vorzeitig in die Türkei zurückgereist war, empfingen ihn in der Nacht zu Freitag in Istanbul etwa 5000 Anhänger mit einem Meer türkischer und palästinensischer Fahnen. "Willkommen zurück, Eroberer von Davos", "Welt, schau auf unseren Ministerpräsidenten" und "Die Welt ist stolz auf dich" stand auf ihren Bannern. Sie waren teilweise mit gecharterten Bussen zum Flughafen gebracht worden. Beifall über seine "mutige Haltung" kam am Freitag auch von der Hamas und der Arabischen Liga.

Am Abend zuvor war es im Hauptkonferenzsaal des Weltwirtschaftsforums zu einem beispiellosen Eklat gekommen. In einer Diskussionsrunde mit Erdogan, Peres, Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon und dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, geleitet vom "Washington Post"-Journalisten David Ignatius, hatte sich zunächst Peres in Rage geredet. 25 Minuten lang verteidigte er laut und leidenschaftlich das Vorgehen der israelischen Regierung. Dabei griff er den neben ihm sitzenden Erdogan, der vor ihm Israel wegen der Gaza-Offensive scharf kritisiert hatte, teilweise direkt an. "Wissen Sie, was es bedeutet, wenn jeden Tag Hunderte Raketen auf einen abgeschossen werden?", fragte Peres mit Bezug auf den Raketenbeschuss der radikalislamischen Hamas aus dem Gazastreifen nach Israel. "Was würden Sie tun, wenn jede Nacht zehn oder hundert Raketen auf Sie niedergehen?" Peres beschuldigte den Iran, den Konflikt mit Raketenlieferungen an die Hamas angeheizt zu haben. Erdogan bat daraufhin den Moderator für eine Antwort um "nur eine Minute". "Sie töten Menschen", sagte er zu Peres. "Beim Töten kennen Sie sich gut aus." Als ihm der Moderator mit Hinweis auf die vorangeschrittene Zeit tatsächlich kurz danach das Wort entzog, verließ Erdogan wütend das Haus. "Ich glaube nicht, dass ich nach Davos zurückkommen werde", sagte er. Später sagte er, er sei nicht auf Peres wütend gewesen, sondern weil er nicht mehr ausreichend Zeit hatte, dem israelischen Staatschef zu antworten.

Am nächsten Morgen waren beide Seiten um Schadensbegrenzung bemüht. Seine Kritik habe sich nicht gegen Israel, gegen die Israelis oder gegen die Juden gerichtet, sondern allein gegen die israelische Regierung, sagte Erdogan am Freitag. Er respektiere Peres. "Wir sind gegen Antisemitismus", sagte er und verbat sich antiisraelische Sprechchöre seiner Anhänger.

Auch Peres war am Freitag um Schadensbegrenzung bemüht. Er telefonierte mit Erdogan. "Wir wollen keinen Streit mit der Türkei. Wir haben einen Konflikt mit den Palästinensern", sagte er noch in Davos. "Freunde können manchmal streiten", sagte er laut der israelischen Tageszeitung "Haaretz".

Die Türkei mit Erdogan an der Spitze hatte im vergangenen Jahr versucht, zwischen Syrien und Israel zu vermitteln. Erdogan sagte, es hätte nur noch wenig bis zu einer Einigung gefehlt. Stattdessen aber sei Israel am 26. Dezember in den Gazastreifen einmarschiert. Offenbar hatte Erdogan den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert noch einen Tag zuvor danach gefragt und Olmert hatte Einmarschpläne verneint. Kritiker hielten Erdogan am Freitag vor, er habe die Rolle der Türkei als objektiver Vermittler im Nahen Osten verspielt. Huseyin Bagci, Dozent für internationale Beziehungen an der Universität von Ankara, sagte: "Die Türkei hat ihre Neutralität verloren."