Missliebige Videos und Podcasts sollen verschwinden - und Blogger Hu Jia wurde Peking zu gefährlich.

China hat rund 150 Millionen Internetnutzer und unterwirft sie bereits einer radikalen Zensur. Jetzt werden die Regeln ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen noch einmal verschäft: Von Februar an dürfen nur noch staatliche Webseiten Videos, Podcasts oder andere audiovisuelle Angebote verbreiten oder Video-Tauschbörsen anbieten, verfügte die Staatliche Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen (SARFT) gestern.

Vordergründig richtet sich die Maßnahme gegen Sex, Gewalt und Spielsucht im Netz. Gemeint aber ist alles, was "die Interessen und das Ansehen des Staates schädigt", von Informationen über lokale Aufstände bis zur Kritik an Partei und Behörden.

Alle verbreiteten Programme und Filme, einschließlich Cartoons, müssen vorher von zuständigen Behörden genehmigt oder gelöscht werden, sonst drohen Strafen. Damit sind die vielen privaten Videoanbieter künftig aus dem Rennen. Was dies für Anbieter wie YouTube mit auswärtigen Servern oder für Chinas populärste Website Tudou.com bedeutet, ist noch unklar. Aber YouTube wurde bereits immer wieder zeitweise gesperrt. Und ausländische Seiten, etwa der britischen BBC, der Deutschen Welle oder von Amnesty International, können in China nicht aufgerufen werden.

Den Widerstand der "Internet-Dissidenten" gegen die Zensur bekämpft China vor den Olympischen Spielen härter denn je. Jetzt hat die staatliche Staatssicherheitsbehörde einen der bekanntesten Vertreter inhaftiert: Hu Jia, 34, wurde vor Silvester in seiner Pekinger Wohnung festgenommen - wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt", berichtet der Sender Radio Freies Asien.

Hu ist auch in Europa bekannt: Am 26. November nahm er - über Webcam und Internetschaltung - an einer Anhörung des Europäischen Parlaments über Menschenrechte in China teil (wir berichteten). "Die Olympischen Spiele sind zu einem Deckmantel für Menschenrechtsverletzungen geworden", sagte Hu Jia den Parlamentariern. Es sei "eine Ironie, dass ein führender Organisator der Spiele Kopf der Sicherheitsbehörde ist und damit auch verantwortlich für so viele Verstöße gegen die Menschenrechte". Außerdem bedankte sich Hu, der sich zum tibetischen Buddhismus bekennt, in einem Brief an Angela Merkel für den Empfang des Dalai Lama. Beides war für Chinas Behörden offenbar zu viel.

Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, hat bereits Hus sofortige Freilassung gefordert. Menschenrechtsorganisationen glauben allerdings, dass mit Hu Jia kurzer Prozess gemacht werden könnte, um ihn noch vor den Olympischen Spielen hinter Gitter zu bringen. Er war einer der letzten bekannten Kritiker in China, der noch nicht in Haft saß. Der studierte Informatiker war zuerst in Umweltgruppen aktiv und Mitbegründer eines Beratungszentrums für HIV-Infizierte, die in China keine große Hilfe bekommen. In seinem Internet-Blog berichtete er auch über Politische Häftlinge, Opfer von Olympia-bedingten Landenteignungen und Korruption. Hu und seine Frau Zeng Jinyan (24) hatten erst vor sechs Wochen eine Tochter bekommen.

Noch zwei Wochen vor seiner Festnahme konnten Bill Smith und Andreas Landwehr für die Deutsche Presse-Agentur dpa in Peking ein Interview mit Hu führen. Unter seinem Fernseher stand die DVD "Das Leben der anderen": In dem Oscar-prämierten Stasi-Drama über den Überwachungsalltag in der DDR finde er erstaunliche Parallelen, sagte Hu. "Das kommt mir sehr bekannt vor." Er berichtete vom ständig abgehörten Telefon und den Wachposten vor dem Haus. "Ich weiß, wenn sie an die Tür klopfen, bedeutet das: Sie wollen mich mitnehmen."

Jetzt hat ihn die Wirklichkeit ereilt. Bei der Festnahme durchsuchten 20 Agenten seine Wohnung, unterbrachen Telefon- und Internetverbindungen, konfiszierten Handys und CD-ROMs, berichtet die Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders. Schon im Februar 2007 hatten die Behörden Hu einen "Warnschuss" verpasst: Angebliche "Polizisten" brachten ihn zu einer abgelegenen Siedlung, wo er 41 Tage lang festgehalten und verhört wurde. Diesmal aber lässt das formelle Vorgehen der Polizei keine Hoffnung auf eine Freilassung.

Am Tag seines Abtransports beseitigten Bulldozer die letzten Hütten eines "Beschwerde-Dorfs" am Südbahnhof Pekings, berichtete Radio Freies Asien. In der Budenstadt lebten provisorisch Tausende Menschen, die im Vorfeld der Olympischen Spiele auf Ungerechtigkeiten hinweisen und sich bei Behörden beschweren wollten. Das ist legal. Aber der Südbahnhof soll extra für Olympia-Touristen zum internationalen Vorzeigebahnhof ausgebaut werden. Die Bittsteller störten.