HAMBURG. Zwei Jahre ist es her, dass Robert Amsterdam seinen berühmten Mandanten das letzte Mal gesehen hat. Im September 2005 bestätigte ein Moskauer Strafgericht das Urteil gegen Michail Chodorkowski, Russlands reichsten Mann und damals noch Chef des Ölkonzerns Yukos, und schickte ihn für acht Jahre wegen angeblicher Steuerhinterziehung und Betrugs hinter Gitter.

Jetzt hat die russische Staatsanwaltschaft erneut Anklage gegen Chodorkowski erhoben. Wegen angeblicher Geldwäsche drohen dem bereits Inhaftierten weitere 15 Jahre Haft. "Wie man Chodorkowski behandelt, hat ein neues Niveau der Grausamkeit erreicht", sagte Amsterdam gegenüber dem Abendblatt. Deshalb trifft sich Amsterdam seit Wochen mit Politikern und Menschenrechtsgruppen, um auf den Fall Chodorkowski wieder aufmerksam zu machen. "Das hat nichts mehr mit dem Gesetz zu tun, sondern mit seinen persönlichen Feinden, die im Kreml sitzen." Bereits das erste Tribunal sei ein politischer Prozess gewesen. "Das kann die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bestätigen, denn sie hat den Prozess für den Europarat beobachtet", sagte Amsterdam. So seien Dokumente gefälscht und unwahre Behauptungen aufgestellt worden.

Für die Anwälte Chodorkowskis sei es schwer, Verbindung zu ihrem Mandanten aufzunehmen. Einige Verteidiger wurden bereits verhaftet. Auch Robert Amsterdam wurde wegen eines angeblich fehlenden Visums aus Russland ausgewiesen.

Mehr als 6000 Kilometer ist das Straflager Chodorkowskis von Moskau entfernt. "Das Lager ist ein Gulag", so Amsterdam. Der Zugang zu Fernsehen und Zeitungen sei nur eingeschränkt möglich. Chodorkowski habe dramatisch an Gewicht verloren. Das Haar des mittlerweile 43-Jährigen sei inzwischen ganz weiß. "Die Haftbedingungen sind sehr schwierig für ihn", sagte Amsterdam. Sein Mandant sei faktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Er könne nur noch über Mittelsmänner Kontakt zu Chodorkowski aufnehmen.

Für Amsterdam sind die Verfahren gegen Chodorkowski eine politische Abrechnung des Kreml. "Chodorkowski hat nichts getan, was damals nicht legal war", sagt Amsterdam.

1987 übernimmt der damals 24-jährige Michail Chodorkowski die Leitung eines Komsomol-Betriebs, den er anschließend privatisierte. Später gelingt es ihm, wichtige politische Beziehungen zum Umfeld des Präsidenten Boris Jelzin zu knüpfen. Das verschafft ihm Vorteile, als die ersten Staatsbetriebe privatisiert werden. 1995 sichert sich Chodorkowski in einer Pfandauktion die Aktienmehrheit am staatlichen Ölunternehmen Yukos für 309 Millionen US-Dollar. Eine Summe weit unter dem damaligen Marktwert. Er wird Vorstandsvorsitzender und baut den Konzern zu einem der profitabelsten Ölkonzerne Russlands aus. Später mischt er sich verstärkt in die russische Innenpolitik ein, finanziert die Wiederwahl Jelzins, unterstützt 1999 die Oppositionsparteien und fordert den Aufbau einer offenen Bürger- und Zivilgesellschaft.

Als er seinen Konzern 2003 für amerikanische Investoren öffnen möchte, kommt es zur Verhaftung. Angeblich gab es zwischen den russischen Oligarchen und Putin eine Absprache, wonach Gesetzesüberschreitungen während der "Raubritterphase" der Jelzin-Ära nicht verfolgt würden, solange sich die Wirtschaft aus der russischen Politik fernhält. Anwalt Amsterdam: "Chodorkowski wusste, dass man ihn eines Tages verhaften würde." Er habe jedoch eine rechtsstaatliche Zivilgesellschaft aufbauen wollen. "Und das hat einigen Menschen nicht gefallen."