Der Ex-Yukos-Chef soll illegal Geld transferiert und Öl veruntreut haben. Aber Beweise fehlen, so sein Verteidiger.

Moskau. Der Ex-Chef des russischen Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowski, muss sich erneut vor Gericht verantworten. Mit einer Voranhörung hat gestern in Moskau ein neuer Strafprozess gegen den Ex-Ölmagnaten begonnen, der bereits zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Im Falle einer Verurteilung wegen Untreue in Milliardenhöhe droht dem ehemals reichsten Mann Russlands nach Angaben seines Anwalts eine Haftstrafe von mehr als 20 Jahren.

Russlands prominentester Häftling wurde unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen in das Gerichtsgebäude gebracht. Nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen waren rund 300 Polizisten und Spezialkräfte im Einsatz. Vor dem Gericht hatten sich zahlreiche Anhänger Chodorkowskis versammelt. Wie der Radiosender Moskauer Echo berichtete, nahm die Polizei vier Demonstranten fest, die an einer Brücke ein Transparent mit der Forderung "Freiheit für Chodorkowski" entrollt hatten. Wie Fotografen berichten, nahm Chodorkowski entspannt auf der Anklagebank Platz und begrüßte seinen Mitangeklagten Lebedew mit Handschlag. Im Unterschied zum ersten Prozess sitzen die Angeklagten nicht in einem Stahlkäfig, sondern hinter Panzerglas. Kurz nach Beginn der Verhandlung schloss Richter Viktor Danilkin die Öffentlichkeit von der Vorverhandlung aus.

Die Anklage wirft Chodorkowski und seinem früheren Mitarbeiter Platon Lebedew vor, zwischen 1998 und 2003 illegale Transaktionen im Wert von umgerechnet 19 Milliarden Euro vorgenommen und 350 Millionen Tonnen Erdöl veruntreut zu haben. Chodorkowskis Anwalt Wadim Kljuwgant forderte die Absetzung von Staatsanwalt Dimitri Schochkin, der schon im ersten Prozess die Anklage vertreten hatte. Die Staatsanwaltschaft wolle "um jeden Preis" ihr Ziel erreichen und richte sich dabei nicht nach den Gesetzen, sagte Kljuwgant vor Journalisten. Bislang seien keine Beweise gegen Chodorkowski vorgelegt worden.

Der 45-Jährige sitzt bereits seit 2005 in einem sibirischen Straflager in Haft. Er war im Oktober 2003 festgenommen und im Mai 2005 wegen Finanzbetrugs und Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt worden. 2007 leitete die Staatsanwaltschaft neue Ermittlungen zu den Untreuevorwürfen ein.

Nach russischem Recht können Häftlinge wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen werden, wenn sie mehr als die Hälfte ihrer Strafe abgesessen haben. Bisher sind zwei Anträge Chodorkowskis auf vorzeitige Entlassung von der Justiz abgelehnt worden.

Die ehemalige Bundesjustizministerin und bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erwartet auch in dem neuen Prozess kein faires Verfahren. Genau wie im ersten Prozess wolle die Kreml-Führung an Chodorkowski ein Exempel statuieren, sagte sie im Bayerischen Rundfunk. Die FDP-Politikerin beobachtet das Verfahren im Auftrag des Europarats.