Entführt: Sorge um Susanne Osthoff - zwei Franzosen berichten von ihrer schwersten Zeit

Hamburg. Die Archäologin Susanne Osthoff bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Ein Video, das am Montag der ARD in Bagdad übergeben wurde, bleibt bisher das einzige Lebenszeichen. Es zeigt die Deutsche, die seit Jahren im Irak lebt, und ihren irakischen Fahrer gefesselt zwischen ihre vermummten und martialisch bewaffneten Entführern. Zu ihnen gibt es nach Angaben von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) aber bisher keine Verbindung - auch nicht über die "von uns angesprochenen Kontaktpersonen".

Der 18köpfige Krisenstab der Bundesregierung tagte gestern morgen ohne greifbares Ergebnis. "Über Nacht haben wir keine wesentlich neuen Erkenntnisse sammeln können", sagte Steinmeier anschließend. Man arbeite inzwischen mit Sicherheitsbehörden aus Frankreich und Italien zusammen, die selbst schon Entführungen im Irak gelöst und damit viel Erfahrung gesammelt haben.

Unklar scheint weiterhin, was die Entführer überhaupt wollen. Sind es geldgierige Kriminelle oder politische Fanatiker, die die neue Bundesregierung vor einem Engagement im Irak warnen wollen? Außenminister Steinmeier wollte sich dazu nicht festlegen.

Das Video spricht eher für eine kriminelle Gruppe, denn es paßt nicht in das Schema der üblichen islamistischen Bekennervideos. Es fehlen die sonst üblichen religiösen Schriftzeichen oder Gesänge. Die Geiseln halten, was eher besorgniserregend ist, auch keine datierte Zeitung in der Hand.

Kriminelle Gruppen aber wiederum hätten ein großes Interesse, mit der Bundesregierung in Kontakt zu treten, um ihre Lösegeldforderung loszuwerden. Solange dies nicht geschieht, muß man von politischer Motivation ausgehen, die für Susanne Osthoff wesentlich gefährlicher wäre. Die Bundesregierung agiert deshalb sehr vorsichtig und nach außen verschwiegen.

Vermutlich sucht der Bundesnachrichtendienst (BND) gemeinsam mit den befreundeten Geheimdiensten vor Ort längst nach der Gruppe der Geiselnehmer. Ist er ihnen schon auf der Spur? "Dazu müßte er in der Lage sein", sagt ein Sicherheits-Experte. "Das wichtigste ist jetzt, ein Lebenszeichen von der Entführten zu erhalten." Das sollte am besten ein Foto sein, auf dem sie eine aktuelle Zeitung in der Hand hält. Danach müßte man versuchen, einen diskreten Kontakt aufzubauen und Verhandlungen in Gang zu setzen. Man könnte diese Signale auch über die Medien an die Entführer weitergeben.

Gibt es Verhandlungen, sind auch diese natürlich ein Drahtseilakt. Die Regel heißt: Die erste Forderung nie sofort erfüllen. Dann könnten die Entführer das Gefühl haben, es wäre noch mehr möglich gewesen und die Forderungen erhöhen. Außerdem geht es immer darum, über psychologischen Druck die Position der Stärke und der Verhandlungsführung nicht zu verlassen, obwohl die Entführer die Geisel haben. Die Haltung der Bundesregierung ist dabei deutlich. "Wir lassen uns nicht erpressen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Eine gewaltsame Befreiung von Susanne Osthoff - sollte man überhaupt ihren Aufenthaltsort kennen - ist unwahrscheinlich. Zwar wären Experten der Spezialeinheit GSG 9 sicher schnell vor Ort, doch für Susanne Osthoff wäre dieser Einsatz zu gefährlich. "Dann wäre die Geisel tot", glaubt der Sicherheitsspezialist. Das Risiko der Archäologin, die Entführung nicht zu überleben, sei ohnehin sehr hoch.

Große Hoffnung macht hingegen eine Aussage des irakischen Präsidenten Dschalal Talabani, der sich gestern einschaltete. "Wir wollen so schnell wie möglich herausfinden, wo sie sich aufhält, um sie aus der Gewalt der Extremisten zu befreien", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Talabani verurteilte die Entführung der deutschen Archäologin scharf. "Ich verabscheue diesen terroristischen Akt zutiefst und möchte mein tiefes Mitgefühl und meine Solidarität mit der Familie und den Angehörigen der Entführten zum Ausdruck bringen."

Deutschland habe weder am Krieg teilgenommen noch handele es sich bei der Geisel um eine Militärangehörige. Vielleicht motiviert Talabani damit die Entführer, aus der Deckung zu kommen.