Entführt: Sorge um Susanne Osthoff - zwei Franzosen berichten von ihrer schwersten Zeit. “Es dürfte helfen, daß Osthoff Deutsche ist“ - Ex-Geisel Malbrunot sprach mit dem Abendblatt.

Paris. "Die Entscheidung, was mit der Geisel passiert, fällt in den ersten Tagen nach der Entführung", sagt der französische Journalist Georges Malbrunot (42) von der Tageszeitung "Le Figaro". Er war im vergangenen Jahr - genau wie jetzt die Deutsche Susanne Osthoff - als Geisel im Irak gefangen. Vier Monate war er in der Hand der Entführer. Er berichtet im Gespräch mit dem Abendblatt über seine Erfahrungen.

"Es dürfte dabei helfen, daß Susanne Osthoff Deutsche ist", sagt Malbrunot. Sie gehöre wie die Franzosen nicht zu den Nationalitäten, die im Irak als Bedrohung empfunden werden, weil sie dort nicht militärisch engagiert sind. "Wichtig für sie ist die Verhandlung und wenn sie gut arabisch spricht, kann sie sich mit den Entführern richtig unterhalten." Diese wollten herausfinden, ob man Spion sei. Diese Logik müsse man verstehen und sich darauf einlassen. Und deshalb sollte man als Geisel ganz genau die Lage erklären und seine Unschuld beteuern. "Es ist wichtig, einen persönlichen Kontakt zu schaffen", sagt Malbrunot.

Entscheidend sei auch, ob die Heimat-Regierung wirklich verhandlungsbereit ist. Malbrunot spürte, daß die Kidnapper stolz waren, mit der französischen Regierung zu verhandeln: "Es hat uns geholfen, daß wir in unserer Heimat berühmt waren und unsere Namen ständig in den Nachrichten waren."

Man dürfe nur nicht zuviel Hoffnung darauf setzen, schnell befreit zu werden. Sonst gerate man in Panik, wenn sich die Gefangenschaft monatelang hinzieht. "Wir haben immer nur von einem Tag zum nächsten gedacht. Schließlich dauern die Verhandlungen zwischen den Geiselnehmern und er Regierung eine Weile", sagt Malbrunot.

Er überstand die Zeit, indem er sich selbst immer wieder Mut machte. Er war in einem kleinen Schuppen ohne Toilette nur mit einem Loch im Boden gefangen. Die Zelle war von Mücken befallen. Malbrunots Entführer hatten ihm nur ein T-Shirt und zwei Unterhosen gelassen. Erst als es kälter wurde, brachten die Geiselnehmer Kleidung und Decken. Oft gab es kein Licht, weil die Elektrizität ausfiel, und vor allem keinerlei Beschäftigung. "Wir hatten nur unsere Gedanken. Und da muß man stark bleiben. Immer daran denken, daß man keine gefährdete Nationalität ist. Von den vergangenen schönen Stunden mit seiner Familie träumen und auf die zukünftigen hoffen. Wir haben auch versucht, uns mit Gymnastik fitzuhalten."

Doch trotz aller Bemühungen, positiv zu denken, kommen immer wieder die schwarzen Stunden. "Mehrmals bin ich zusammengebrochen und habe geweint, aber das war wie eine Befreiung", erinnert sich Malbrunot an seine Gefühle. Sechsmal wurden sie in der Zeit verlegt, und immer blieb die Ungewißheit. "Die Angst steigerte sich von Tag zu Tag, uns wurde sogar gesagt, daß wir zum Islam konvertieren sollten. Das war Psychoterror. Man fühlt sich völlig ausgeliefert."

Wochenlang blieb die Unsicherheit, doch dann spitzte sich die Situation zu. Das war im November 2004. "Unsere Entführer sagten uns, daß Frankreich schlecht verhandelt. Sie erklärten, daß sie uns töten wollten. Das Warten war schrecklich. Immer wenn die Tür sich öffnete, gerieten wir in Panik. Wir hatten Alpträume und glaubten, daß wir sterben müssen."

Seine Entführer sah Malbrunot nie: "Sie trugen die Gesichter unter Masken verborgen. Aber das hat mich eher beruhigt. Sie sagten: "Wenn ich dich töten wollte, hätte ich schon längst die Maske fallenlassen." Vor seiner Entführung hatte Malbrunot noch nie von der "Islamischen Armee" im Irak gehört. Sie sei gut organisiert gewesen, sehr politisch und hatte Internet.

Immer wieder wechselte seine Stimmung zwischen Optimismus und Pessimismus. Und irgendwann kommt dann die Routine: "Wir haben fast nichts mehr gedacht, nur noch gewartet und ab und zu in der Nacht geschlafen. Es geht nur noch darum, einfach durchzuhalten und stark zu bleiben."

Kurz vor Weihnachten 2004 kam er wieder frei. Wenn Malbrunot heute an seine Gefangenschaft vor einem Jahr zurückdenkt, wirkt er sehr gefaßt: "Es ist wie ein Schatten, der mich verfolgt, ohne mich zu stören." Er glaubt, daß er das ohne große psychologische Schäden überstanden hat, weil er nicht mißhandelt wurde und nie die Hoffnung aufgegeben hat. Sein Leben hat der Journalist nicht verändert. Drei Monate nach der Geiselhaft kehrte er in die Redaktion des "Figaro" zurück.