Ariel Scharon: Neuwahlen mit neuer Partei. Das gab es noch nie: Ein Premier tritt aus der eigenen Partei aus - und viele Minister folgen ihm.

Jerusalem. Israels Ministerpräsident Ariel Scharon hat gestern abend seinen Austritt aus dem regierenden Likud-Block erklärt. Mit seinem Schritt löste er ein politisches Erdbeben in Israel aus. Ein Verbleib in der Partei, zu deren Gründern er gehört, wäre reine Zeitvergeudung, sagte Scharon. Er will jetzt eine neue national-liberale Partei gründen und mit ihr bei der für März geplanten Neuwahl antreten. Zuvor war die große Koalition des Likud mit der sozialdemokratischen Arbeitspartei zerbrochen.

Hintergrund von Scharons Entscheidung ist massiver interner Widerstand von mehreren "Rebellen" im Likud, die sich gegen den von Scharon betriebenen Abzug aus dem Gaza-Streifen gestellt hatten. Der Regierungschef sagte, der Likud könne "Israel nicht zur Erfüllung seiner nationalen Ziele führen".

Programm seiner neuen Partei "Nationale Verantwortung" sei der internationale Nahost-Friedensplan (Road Map), so Scharon. Der Abzug aus dem Gaza-Streifen sei eine "historische Gelegenheit" gewesen und habe neue Hoffnung auf echte Fortschritte in der Region geschaffen. Nun sei die nächste Aufgabe, die endgültigen Grenzen Israels festzulegen. Die großen jüdischen Siedlungsblöcke im Westjordanland und "Sicherheitszonen" sollten in israelischer Hand bleiben, sagte Scharon. In der letzten Phase des internationalen Friedensplans werde Israel jedoch vermutlich gezwungen sein, weitere jüdische Siedlungen im Westjordanland aufzugeben.

Beobachter rechnen nach Scharons Schritt mit einer Neuordnung der politischen Landkarte in Israel. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, daß ein regierender Ministerpräsident aus seiner eigenen Partei austritt.

Gegner Scharons hatten sich gestern noch bemüht, eine Mehrheit von 61 Abgeordneten zusammenzubekommen, um eine alternative Koalition zu bilden. Scharon seinerseits bat Staatspräsident Mosche Katzav um die Auflösung des Parlaments.

Schließlich machte das Parlament mit einem Mehrheitsvotum für die Selbstauflösung den Weg für die vorgezogene Parlamentswahl frei.

An einer Vorbereitungssitzung für die Gründung von Scharons neuer Partei in Jerusalem nahmen am Abend mehrere Minister der scheidenden Regierung teil. Darunter waren Finanzminister Ehud Olmert, Justizministerin Zippi Livni, Tourismusminister Avraham Hirschson und Sicherheitsminister Gideon Esra. Auch 14 Knesset-Abgeordnete schlossen sich der Partei an. Nach Blitzumfragen könnte die neue Gruppierung auf Anhieb 28 der 120 Knesset-Mandate erringen.

Scharon hatte dem Vorsitzenden des Likud-Zentralkomitees, Zachi Hanegbi, zuvor in einem Schreiben sein Ausscheiden mitgeteilt. Hanegbi soll Scharons Amt übernehmen, bis die Partei einen neuen Vorsitzenden wählt.

Scharons Gegner im Likud begrüßten seinen Schritt. "Die Korruption hat den Likud verlassen", sagte sein Rivale Uzi Landau. Scharon und der Vorsitzende der israelischen Arbeitspartei, Amir Perez, hatten sich vergangene Woche für vorgezogene Wahlen im März ausgesprochen. Perez warnte Mitglieder seiner Partei vor einem Eintritt in Scharons neue Organisation. "Ich rufe alle Parteimitglieder auf, sich nicht auf Abenteuer einzulassen. Die Arbeitspartei ist Heimat für alle!"

Umfragen zufolge ist der 77 Jahre alte Scharon der beliebteste Politiker Israels. Oft hat man ihm Methoden eines "Bulldozers" nachgesagt. Den Arabern gilt der Ex-General für seine Rolle als Verteidigungsminister im Libanonkrieg als "Schlächter von Beirut". Sein Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem löste im Jahr 2000 den Palästinenser-Aufstand (Intifada) aus.

Doch seinen Anhängern gilt Scharon als mutiger Kämpfer für israelische Interessen. Der Machtmensch wird als Kriegsheld bewundert, der 1973 während des Jom-Kippur-Krieges seine Truppe auf eigene Faust über den Suezkanal führte und eine drohende Niederlage gegen die arabischen Staaten abwendete. Er saß später auf mehreren Ministerstühlen und wurde 2001 zum Regierungschef gewählt.