Zweiter Anschlag auf Polizisten binnen weniger Tage - offenbar als Antwort auf Barack Obamas Pakistan-Pläne.

Hamburg/Lahore. Die schwer bewaffneten Angreifer stürmten um acht Uhr morgens das Schulungsgelände der pakistanischen Polizei in Manawan unweit der fast neun Millionen Einwohner zählenden Metropole Lahore. Mehrere der gut ein Dutzend Täter trugen Polizeiuniformen. Als Erstes töteten sie die Wachtposten am Hintereingang der Anlage und warfen dann mehr als zehn Handgranaten auf den Übungsplatz, wo gerade Hunderte Rekruten ihr Training absolvierten. Zudem feuerten sie mit Maschinenwaffen in die Menge der jungen Männer, die verzweifelt versuchten, Deckung zu finden. Innerhalb weniger Minuten war der Platz mit Leichen übersät, wie Augenzeugen berichteten. Die Angreifer erklommen auch das Dach der Schule und feuerten von dort aus weiter; sie wurden bekämpft von Scharfschützen der Polizei, die auf Dächer von benachbarten Gebäuden geklettert waren.

Einige Quellen sprachen von bis zu 34 Toten, andere fürchteten, es könnten am Ende wesentlich mehr sein. Die Zahl der Verwundeten wurde von örtlichen Medien auf mindestens 95 beziffert; es könnten am Ende aber noch weit mehr sein.

Die mutmaßlich radikalislamischen Angreifer hielten acht Stunden lang rund 150 junge Polizisten in ihrer Gewalt. In einem Gebäude, in den sich die Terroristen verschanzt hatten, wurden anschließend zahlreiche Leichen gefunden. Schließlich stürmten pakistanische Eliteeinheiten das Gelände, töteten mehrere der Angreifer und nahmen vier von ihnen gefangen.

Es war bereits der zweite schwere Anschlag in Lahore binnen weniger Tage. Anfang März hatte ebenfalls ein Dutzend bewaffnete Angreifer den Bus der srilankischen Kricket-Mannschaft und ihre Polizeieskorte angegriffen. Sechs Polizisten und der Fahrer starben; acht Sportler wurden verletzt.

Die beiden Anschläge sind Indiz für die politische Instabilität Pakistans, dessen Nordwestgebiete teilweise bereits unter Kontrolle der pakistanischen Taliban und des Al-Qaida-Terrornetzes stehen. Pakistans mächtiger Geheimdienst ISI steht zudem unter Verdacht, die militanten Islamisten zu unterstützen.

US-Präsident Barack Obama will im Zuge seiner neuen Afghanistan-Strategie auch in Pakistan verstärkt militärisch operieren, um den grenzüberschreitenden Terror zu stoppen. Der gestrige Anschlag könnte eine Reaktion der Taliban auf die von Obama geforderte verstärkte polizeiliche und militärische Zusammenarbeit der pakistanischen Regierung von Präsident Asif Ali Zardari mit den USA sein.

"Das war ein geplanter, organisierter Terrorangriff", sagte Pakistans Innenminister Rehman Malik. Und Masud Sharif, der frühere Chef des Geheimdienstes in Lahore, meinte: "Es hat viele Wochen benötigt, um dies zu planen; irgendwer hätte eigentlich riechen müssen, dass so etwas passieren wird." Spekuliert wurde, dass es sich bei den Terroristen entweder um Mitglieder der Gruppe Tehrik-e-Taliban handeln könnte, wie Malik meinte. Oder um Kämpfer der ebenfalls radikalislamischen Lashkar-i-Jangvi, die sich in der Grenzregion Waziristan dem Kampf von al-Qaida angeschlossen hat.

Einige der Angreifer hatten nach Berichten von Augenzeugen Sprengstoff-Westen getragen. Als die pakistanischen Elitesoldaten angriffen, zündeten sie sie.

Ein Überlebender, der 20-jährige Polizist Tajamal Hussein, hörte die Terroristen rufen: "Wir sind gekommen, o Angreifer der Roten Moschee, wir sind gekommen!" Dies bezog sich offenbar auf die achttägige Belagerung der Roten Moschee in Islamabad durch militante Islamisten im Juli 2007, die durch pakistanische Einheiten beendet wurde.