Nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung in Prag wächst in der Europäischen Union (EU) die Sorge um die Zukunft des EU-Reformvertrags.

Straßburg. Nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung in Prag wächst in der Europäischen Union (EU) die Sorge um die Zukunft des EU-Reformvertrags. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso mahnte gestern eine rasche Ratifizierung des Vertrags durch Tschechien an. Die Reformen dürften nicht zur "Geisel" der Regierungskrise in Tschechien gemacht werden, sagte Barroso in Straßburg.

Wenn der Vertrag nicht in Kraft treten könne, wäre dies "tragisch" für die EU, mahnte auch der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU).

Der tschechische Europaminister Alexandr Vondra räumte ein, der programmierte Sturz der Regierung werde die Ratifizierung "verkomplizieren". Die im April geplante Abstimmung im Prager Senat werde "nicht einfach" sein, sagte er vor dem Europaparlament.

Der tschechische Regierungschef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Mirek Topolanek versicherte den Abgeordneten, das Misstrauensvotum werde die laufende tschechische EU-Präsidentschaft nicht beeinträchtigen. Gleichwohl hänge die Zukunft des EU-Vertrags nun vom "internen Prozess" innerhalb seiner konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) ab. "Wenn ich die Situation in der ODS nicht mehr unter Kontrolle habe, wird der Vertrag von Lissabon nicht ratifiziert", sagte er der Tageszeitung "Hospodarske Noviny". Der tschechische Senat, in dem überwiegend EU-Kritiker sitzen, verschob gestern seine Beratungen über das Vertragswerk.

In Berlin äußerte Vizeregierungssprecher Thomas Steg die Hoffnung, dass Tschechien trotz der innenpolitischen Probleme die Präsidentschaft weiter wahrnehmen könne. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte den Angaben zufolge am Nachmittag mit Topolanek.

"Die Krise zeigt einmal mehr, wie wertvoll der Vertrag von Lissabon ist", sagte Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Bundestag, dem Abendblatt. "Es wäre hilfreich, ihn jetzt zu haben." Von einer "Beerdigung" des Lissabon-Vertrags wollte Krichbaum nicht sprechen. "Aber er ist mit einer zusätzlichen Hypothek belastet."

Der Vertrag, der die erweiterte Union handlungsfähiger und demokratischer machen soll, kann nur in Kraft treten, wenn er von allen 27 EU-Staaten ratifiziert wurde. Außer Tschechien müssen dies noch Polen, Deutschland und Irland tun. In Deutschland hängt die Ratifizierung von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab, das noch vor Jahresmitte erwartet wird. Die Iren sollen im Herbst abermals per Referendum befragt werden.

Während der Debatte im Europaparlament kritisierte Topolanek die US-Konjunkturhilfen als "Weg in die Hölle". Diese Konjunkturhilfen würden die Stabilität der globalen Finanzmärkte untergraben. "Der größte Erfolg des (EU-Frühjahrs-)Gipfels war die Ablehnung dieses Wegs", sagte Topolanek. Die Regierung in Washington werde Geld brauchen, um diese Maßnahmen zu finanzieren. Die USA hätten damit keinen guten Weg eingeschlagen und würden die Fehler aus den 30er-Jahren wiederholen.

Die Äußerungen Topolaneks lösten scharfe Reaktionen aus. Am 5. April kommt US-Präsident Barack Obama zu einem EU-USA-Treffen nach Prag.