Kämpfe im Gazastreifen gehen weiter; Israel und auch die Militanten lehnen die Uno-Resolution für eine Waffenruhe ab.

Hamburg/London. Die künftige amerikanische Regierung von Barack Obama wird offenbar einen dramatischen Richtungswechsel in der Nahost-Politik vollziehen. Wie die seriöse Londoner Zeitung "The Guardian" berichtete, haben Berater Obama nahegelegt, Gespräche mit der radikalislamischen Hamas zu etablieren.

Dies wäre ein kompletter Bruch mit der bislang gültigen Doktrin des noch amtierenden US-Präsidenten George W. Bush, die militante Organisation - deren Ziel die Vernichtung des Staates Israel ist - vollständig zu isolieren. Der "Guardian" beruft sich auf drei Insider, die direkten Zugang zu den Nahost-Diskussionen im Team des künftigen US-Präsidenten haben.

Nach ihren Angaben setzt sich in Washington allmählich die Erkenntnis durch, dass eine Isolierung der Hamas politisch kontraproduktiv sei. Das amerikanische Außenministerium hat die Hamas als Terror-Organisation eingestuft, und im Jahr 2006 hat der US-Kongress Finanzhilfe für die Gruppe per Gesetz untersagt.

Die drei ungenannten Quellen des Londoner Blattes geben an, Obama werde sich zunächst nicht für direkte diplomatische Kontakte mit der Hamas aussprechen. Seine Berater drängten ihn vielmehr erst einmal zu nicht öffentlichen Kontakten auf Geheimdienst-Ebene. Das Modell für diese Gespräche liefert der Nahost-Prozess in den 70er-Jahren, als die US-Regierung - ohne Wissen Israels - mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation von Jassir Arafat verhandelte.

"Die totale Isolation der Hamas, die wir unter Bush verkündet hatten, geht zu Ende", sagte Steve Clemons, Strategie-Direktor der US-Denkfabrik New American Foundation, und sprach von der Möglichkeit geheimer Abgesandter. Man könne aber auch etwas über die Europäer bewirken; fügt Clemons hinzu. "Ich denke, das wird so kommen."

Es wachse nicht nur unter den Demokraten Obamas, sondern auch unter den Republikanern inzwischen die Überzeugung, dass es notwendig sei, die Hamas einzubeziehen, um einen haltbaren Frieden im Nahen Osten schmieden zu können, schrieb die englische Zeitung.

Auch Richard Haas, der als möglicher Nahost-Abgesandter einer Obama-Regierung gilt, sei für Gespräche auf niedriger Ebene. Bemerkenswert: Haas diente bereits George W. Bush und dessen Vater als Nahost-Diplomat.

Während derartige Spekulationen blühten, erlitten die diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Kriegs im Gazastreifen einen Rückschlag. Das israelische Sicherheitskabinett beschloss am Freitag die Fortsetzung seiner Offensive. Jerusalem ignoriert damit die kurz zuvor beschlossene Resolution 1860 des Sicherheitsrates zum sofortigen, dauerhaften Waffenstillstand. Kein außenstehendes Gremium dürfe über das Recht Israels entscheiden, seine Bürger zu beschützen, erklärte das Büro von Ministerpräsident Ehud Olmert. Der Premier und Außenministerin Zipi Livni votierten für eine Fortsetzung der Offensive, Verteidigungsminister Ehud Barak wollte lieber über eine Fortsetzung der Waffenruhe zu Verhandlungen kommen.

Auch die Hamas lehnte die Uno-Resolution und damit die Waffenruhe ab. Israel griff mehr als 30 Ziele im Gazastreifen an, die Hamas feuerte wieder Raketen auf Südisrael. Die Hamas schießt ihre Raketen inzwischen nicht mehr aus dem Grenzstreifen ab, den israelische Truppen eingenommen haben, sondern mitten aus Wohngebieten in den Städten. Die Hamas beabsichtigt damit, das Feuer der israelischen Truppen auf palästinensische Zivilisten zu ziehen, um die Weltgemeinschaft weiter gegen Israel einzunehmen. Bundesaußenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier brach am Freitagabend zu einer dreitägigen Nahost-Mission auf, die ihn zu Gesprächen mit der ägyptischen, israelischen und palästinensischen Regierung führt.