Frierende Bewohner Bosniens begeben sich stundenlang auf die Suche nach den letzten Elektroheizgeräten. Pünktlich zu Weihnachten traf es auch Serbien.Der russisch-ukrainische Gasstreit hat den Balkan mehr als nur eiskalt erwischt. Bilder zum Artikel

Sofia. Zehntausend Haushalte haben keine Heizung mehr, seit Russland den Gashahn zugedreht und die Belieferung Europas über die Ukraine gestoppt hat. "Unverantwortlich", protestierte Bosnien und warnte davor, Millionen Menschen in Gefahr zu bringen. "Das soll das 21. Jahrhundert sein?", empörte sich die 51-jährige Snjezana Kordic, die sich zu Hause in Sarajevo in viele warme Decken eingemummelt hat. "Wie können die mich bei minus zehn Grad ohne Heizung sitzen lassen, wegen eines Streits, mit dem ich nichts zu tun habe?"

Vielen orthodoxen Christen überkam am bitterkalten Weihnachtsfest das Schaudern, wenn sie an ihre Zukunft dachten. "Wir sind abhängig von dem Streit zwischen Russland und der Ukraine. Wie albern ist das denn?", fragte sich der Belgrader Architekt Djordje Gec. Am stärksten ist Bulgarien, das ärmste Mitglied der EU betroffen. Es bezieht 92 Prozent seines Gases via der Ukraine aus Russland und kann, anders als Griechenland und die Türkei, nicht auf andere Lieferwege ausweichen. Dabei wird Erdgas sowohl in der Industrie, als auch für die Wäremversorgung in großen Städten gebraucht.

Auf Grund des Gasstops sind tausende Menschen in Gefahr. Zahlreiche Schulen und Kindergärten blieben der Kälte wegen geschlossen. Im Mladost-Bezirk in Sofia behielten die Erstklässler die dicken Wintermäntel im Klassenzimmer an und kuschelten sich gegen die bittere Kälte zusammen. Die Lehrerin entschied, das es bei der klirrenden Kälte eindeutig zu kalt zum schreiben sei - deshalb ließ sie die Kinder singen und lesen.

In der drittgrößten Stadt Bulgariens, Warna, fiel die Heizung in rund 12.000 Haushalten aus. Vor dem russischen Konsulat wurde von wütenden Bürgern mit Parolen wie "Stoppt Putins Gas-Krieg!" demonstriert. Der Sprecher des Versorgungsunternehmens Sarajevos, Adis Salkic, befürchtet eine Katastrophe. Das Land bezieht all sein Gas aus Russland über die Ukraine, Ungarn und Serbien und hat keinerlei Reserven. Seit Dienstagabend kam nichts mehr an. Der Lieferstopp sei "unverantwortlich", schrieb Außenminister Sven Alkalaj in einer Protestnote an Kiew und Moskau. Er "bringt vier Millionen Menschen in Gefahr, die nicht zu Geiseln in einem Streit zwischen Russland und der Ukraine werden sollten".

Damit begann die Jagd auf Elektronische Heizgeräte: Die Läden in Sarajevo waren innerhalb weniger Stunden komplett ausverkauft. Die meisten der 240.000 Menschen, denen der Gashahn abgedreht wurde, hielten sich bei Verwandten oder Freunden auf, die noch heizen konnten. Andere nahmen den Weg ins 120 Kilometer entfernte Mostar auf sich, mit der Hoffnung, dort vielleicht noch ein Heizgerät auftreiben zu können.

Die gleiche Szene fand man auch in der bulgarischen Hauptstadt vor, wo hunderte Suchende die Läden stürmten. "Ich bin so froh, dass ich einen erwischt habe", sagte Zwjatko Pejew, der in einem Geschäft in der Innenstadt das letzte Exemplar ergatterte. "Allerdings fürchte ich, dass die zusätzlichen Stromkosten die Haushaltskasse ruinieren werden."