In der arabischen Welt brodelt es bedenklich. Ganz offen hat Syrien, das gerade seine Friedengespräche mit Israel eingestellt hat, die Regierungen...

Hamburg/Kairo. In der arabischen Welt brodelt es bedenklich. Ganz offen hat Syrien, das gerade seine Friedengespräche mit Israel eingestellt hat, die Regierungen Ägyptens und Jordaniens aufgefordert, ihre Beziehungen zum jüdischen Staat einzustellen. Und - unerhört für den autoritär gelenkten Staat Ägypten - fordern immer öfter Demonstranten in Kairo von Staatschef Husni Mubarak, seinen israelfreundlichen Kurs zu ändern.

Ägypten solle sich auf seine Rolle als arabisches Land besinnen und sich im Kampf gegen Israel auf die Seite der Palästinenser stellen, verlangte die syrische Regierungszeitung "Tishreen".

Auch in Amman und Sanaa gingen Menschen auf die Straße, aufgebracht über die Tatenlosigkeit ihrer Führungen. Im Jemen stürmten Demonstranten Ägyptens Konsulat, im Irak und den Vereinigten Arabischen Emiraten verurteilten die Parlamente Israels Militäroperation. Und in Beirut rief der Chef der radikalislamischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, die Palästinenser zu einer neuen, dritten Intifada auf.

Wie immer im Nahen Osten, laufen die Interessenlinien kreuz und quer. Zwar sind sich die sunnitische Hamas und die schiitische Hisbollah nicht grün, aber einig zumindest in ihrer Frontstellung gegenüber Israel und beide nehmen Hilfe aus Syrien und dem Iran in Anspruch. Fatah-Führer und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas warf den feindlichen Brüdern der Hamas vor, eine Mitschuld an der Eskalation zu tragen. Die Führer Saudi-Arabiens, Ägyptens und Jordaniens pflegen einen pragmatischen Umgang mit Israel - werden aber von großen Teilen ihrer Bevölkerung dafür gehasst. Und dass sich der schiitische Iran zum Wortführer der Region aufschwingen will, behagt den Sunniten in Riad, Kairo und Amman überhaupt nicht. Vor allem Ägypten befindet sich derzeit in einer misslichen Lage, irgendwo zwischen Hammer und Amboss. Die Regierung von Husni Mubarak hält, wie Israel auf der anderen Seite, den Gazastreifen abgeriegelt und lässt nur sporadisch Hilfslieferungen durch. Damit erfüllt Mubarak eine Vereinbarung mit Israel und mit den USA - die sein Regime alimentieren. Mit Recht fürchtet Kairo eine Flüchtlingswelle, die die Gaza-Krise tief ins eigene Land tragen würde. Doch nun kommt die Unruhe von innen. Die radikalislamische Muslimbruderschaft, aus der die Hamas einst hervorging und die mit 88 von 454 Abgeordneten im Kairoer Parlament sitzt, forderte den Präsidenten gar auf, Israel den Krieg zu erklären. In Beirut rief Nasrallah die Ägypter auf, ihren Protest gegen Mubarak auf die Straßen zu tragen. Ägyptens Außenminister Ahmed Abul Gheit sagte dazu, Nasrallahs Aufruf sei "praktisch eine Kriegserklärung" an Kairo. "Die wollen wohl, dass in Ägypten genau so ein Chaos herrscht wie bei ihnen", sagte Abul Gheit in Ankara.

Besondere Wut im ägyptischen Volk schürten Berichte der in London erscheinenden Zeitung "Al-Quds al-Arabi", Ägyptens Geheimdienstchef Omar Suleiman habe einige arabische Staaten über die bevorstehende israelische Offensive unterrichtet - die Hamas hingegen in Sicherheit gewiegt. Damit erscheint auch der Besuch von Israels Außenministerin Zipi Livni bei Mubarak am vergangenen Donnerstag in dubiosem Licht: Die Muslimbruderschaft behauptet, Livni habe Mubarak von der Operation "Gegossenes Blei" vorab berichtet. Dem Bericht des Londoner Blattes nach ist Omar Suleiman gar nicht so unglücklich darüber, dass Israel den "größenwahnsinnigen Rabauken" der Hamas nun ordentlich einheizt.

Von vielen Ägyptern wird Mubarak bereits als Verräter an der arabischen Sache beschimpft. Und trotz seines massiven Sicherheitsapparates kann es sich der seit 27 Jahren autoritär herrschende Präsident nicht lange leisten, die Unruhe in seinem 72-Millionen-Volk zu ignorieren.