Eine Brücke wächst in der sandsteingrauen Kargheit Nordafghanistans. Nordwestlich von Faisabad soll sie den Fluss Kokcha überspannen. Der Gouverneur...

Faisabad/Masar-i-Scharif. Eine Brücke wächst in der sandsteingrauen Kargheit Nordafghanistans. Nordwestlich von Faisabad soll sie den Fluss Kokcha überspannen. Der Gouverneur von Badakhshan, eine der ärmsten Provinzen des Landes, will die Brücke, weil sie die Wirtschaft näher holen soll, und der Bürgermeister von Faisabad will sie, weil sie lange Umwege zu zwei Hauptverkehrsadern um viele Kilometer verkürzt. Die Bundeswehr und die Afghanische Nationalarmee wollen die Brücke, weil die Wege in die Einsatzgebiete weniger zeitaufwendig werden. Darum ist Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung nach Faisabad gekommen, er steht an der Kokcha, die um diese Zeit noch recht wenig Wasser führt, blickt auf die fast fertigen Brückenfundamente und sagt in aufgestellte Mikrofone, dass Deutschland den Wiederaufbau unterstütze, die Bundeswehr 3,2 Millionen Euro für das Bauprojekt zahle und es darum gehe, "die Herzen und die Köpfe der Menschen zu gewinnen".

Der Gouverneur und der Bürgermeister nicken und antworten, dass sie Deutschland dankbar seien.

Der CDU-Politiker Jung reist in einer Zeit nach Afghanistan, in der allerorten nach neuen Wegen gesucht wird. Im Land soll am 20. August ein Präsident gewählt werden; es ist unklar, ob er wieder Hamid Karsai heißen wird. In den USA hat Präsident Barack Obama wenige Tage zuvor eine neue Afghanistan-Strategie angekündigt. In Interviews sagte der mächtigste Mann der Welt, der Krieg sei nicht zu gewinnen, und er wolle mit "gemäßigten Taliban" verhandeln. Das klingt sehr nach Friedensinitiative und ein bisschen nach Defätismus.

Der Brückenbauer Jung hört das Positive heraus. "Wir führen keinen Krieg, und darum müssen wir auch keinen gewinnen", sagt der Minister. "Wir haben hier eine Stabilisierungsaufgabe, und die müssen wir fortsetzen." Jung glaubt an den ,comprehensive approach', den vernetzten Ansatz, der Sicherheit und Wiederaufbau verbindet. Auch in Washington glaube man nicht mehr allein an die Macht des Militärischen. Zwar verstärken die USA ihre Truppen in Afghanistan um 17 000 Mann. Aber sprachen sie nicht unlängst noch von 30 000 zusätzlichen Soldaten?

Zur Aufforderung, die Verbündeten müssten ihre Verpflichtungen erfüllen, verweist Jung darauf, dass Deutschland sein Einsatzkontingent von rund 3500 Soldaten um 600 erhöhen werde und die Mittel für den zivilen Wiederaufbau von 80 auf 170 Millionen gesteigert habe. "Das ist ein Beitrag, der sich sehen lassen kann und der auch von den Verbündeten gewürdigt wird", findet Jung. Es gibt aber auch Brücken, über die keiner gehen möchte. Mit gemäßigten Taliban verhandeln? Die radikalen Islamisten haben zu Obamas Offerte erklärt, sie ließen sich nicht teilen in gemäßigte und kämpfende Taliban. Auch Jung kann mit dem Begriff nicht viel anfangen. Voraussetzung für Gespräche sei aus seiner Sicht der Verzicht auf Gewalt. Und dann appelliert Jung, er könne "die Taliban nur auffordern, der Gewalt abzuschwören und sich zu engagieren für eine friedliche Entwicklung". Jung wird von einer großen Delegation begleitet, Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan ist dabei, Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Fraktionen und Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlands. Jung hat in der Vergangenheit mitunter den Zustand der Polizeiausbildung kritisiert, der in der Verantwortung der EU liegt.

Am Dienstagvormittag hat er Masar-i-Scharif besucht und bei der Ausbildung von Kriminalpolizisten zugeschaut. Das Projekt läuft bilateral zwischen Deutschland und Afghanistan. 22 000 Soldaten habe Deutschland seit 2002 in Afghanistan ausgebildet, 4715 allein durch die Feldjäger der Bundeswehr. Er hoffe doch, sagt Jung, dass die von der EU zugesagten 400 Polizeiausbilder auch endlich kämen. Bislang sind es nicht einmal 200.

In Masar-i-Scharif hat Jung zudem den Spatenstich für eine neue Landebahn des Flughafens getan. Die Kosten von 30 Millionen Euro übernehmen Deutschland und die Isaf. Der Flughafen, sagt Jung, werde "auch ein Tor zur Welt und eine Drehscheibe für Afghanistan". Von dort aus reist er heute nach Kundus, auf das gestern ein Raketenanschlag verübt wurde. Verletzt wurde niemand.