Premier Wen will die Konjunktur mit zusätzlichen Infrastrukturprojekten, Steuernachlässen und Zuschüssen für Firmen ankurbeln. Aber Details bleiben vage.

Wohlhabende Chinesen gründen Suppenküchen für Arbeitslose. Bei Älteren wecken die langen Schlangen der Hungrigen bittere Erinnerungen an die Hungersnöte nach Maos gescheitertem "Großen Sprung nach vorn". Zehntausende Fabriken sind bereits bankrott und schicken ihre Arbeiter nach Hause. Überall auf den Straßen sitzen Menschen mit selbst gemalten Schildern, die ihre Fertigkeiten anpreisen, und würden jeden Job annehmen.

Trotzdem gab sich Chinas Regierungschef Wen Jiabao gestern vor dem Nationalen Volkskongress zuversichtlich, dass Chinas Wirtschaft trotz der "beispiellosen Schwierigkeiten" 2009 ein Wachstum von acht Prozent des Bruttosozialprodukts erreichen könne. "Wir sind voller Vertrauen, dass wir die Schwierigkeiten und Herausforderungen meistern werden", sagte er. Auswärtige Experten sind weniger optimistisch und rechnen mit sechs oder sieben Prozent, selbst in Pekinger Regierungskreisen ist von eher fünf Prozent die Rede. 2007 betrug das Wachstum noch 13 Prozent.

Chinas "Wirtschaftswunder" droht ein herber Rückschlag. Die Exportwirtschaft ist bereits eingebrochen. Experten schätzen, dass die Zahl der Jobsuchenden - rund 20 Millionen entlassene Wanderarbeiter, städtische Arbeitslose und rund sieben Millionen Hochschulabsolventen - 2009 auf mehr als 40 Millionen anschwillt. Mehr als zehn Prozent der 130 Millionen Wanderarbeiter sähen sich vom Hunger bedroht, sagte Professor Yao Yukun von der Pekinger "Volksuniversität".

Die Regierung will der Krise mit einem Programm massiver zusätzlicher Ausgaben in Höhe von 465 Milliarden Euro begegnen. Es soll Industriezweige wie Automobil- und Stahlproduktion stützen, aber auch der armen Landbevölkerung zugute kommen, sagte Wen. Vorgesehen seien zusätzliche Infrastrukturprojekte, Zuschüsse und Steuernachlässe. Wen räumte ein, dass die Krise Probleme wie mangelnde soziale Absicherung und schlechte Gesundheitsversorgung verstärkten. Die Ausgaben für soziale Sicherheit sollen daher um 17,6 Prozent, die für das Gesundheitssystem um 38,2 Prozent aufgestockt werden.

Die Ausgaben der Zentralregierung dafür werden um 17,6 Prozent auf 293 Milliarden Yuan (34 Milliarden Euro) steigen.

Das Programm soll vor allem den Konsum im Inland ankurbeln, um fehlende Exporteinnahmen auszugleichen. Krisenverschärfend ist aber, dass China unter der schlimmsten Dürre seit 50 Jahren leidet, die bis zu 80 Prozent der Anbaufläche für Winterfrüchte trifft. Welche Hilfsmaßnahmen nun aus dem Konjunkturpaket und welche aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden sollen, bleibt offen - Chinas Etat ist Geheimsache.

Die größte Befürchtung der KP-Führung ist, dass die krisenbedingte Not in landesweite Proteste umschlagen könnte. Davor warnt auch eine Gruppe prominenter chinesischer Altkader um den früheren Mao-Sekretär Li Rui (91). In einem offenen Brief an Staatspräsident Hu Jintao und die KP-Führung begrüßte die Gruppe die geplanten Investitionen, zeigte sich aber "äußerst besorgt, dass die Privilegierten und die Korrupten diese Gelegenheit nutzen werden, um sich zu mästen". Es müsse eine genaue Kontrolle des Konjunkturprogramms geben, und gerade jetzt müsse die Regierung demokratische Reformen voranbringen. Sonst würden sich soziale Konflikte verschärfen.

Um Unmut vorzubeugen, hat die Regierung gerade beschlossen, die Vergnügungsreisen von Funktionären streng zu kontrollieren. Öffentlichen Ärger über Lust-reisen nach Las Vegas auf Staatskosten kann sich die KP jetzt nicht leisten. Sogar Premier Wen Jiabao gibt sich volksnah: In seinem ersten Online-Chat mit Internet-Nutzern plauderte er von den Ratschlägen seiner Mutter und dass er keine Zeit mehr zum Kochen finde. Er glaube, "dass die Öffentlichkeit das Recht hat zu wissen, was die Regierung tut" und "das Recht hat, sie zu kritisieren und ihre Politik zu bewerten", schrieb er. "Es war, als befände er sich im Wahlkampf, den es in China nicht gibt", kommentiert die Korrespondentin der "Washington Post".