Bis zu 50.000 Soldaten sollen auch nach 2010 im Irak bleiben. Im Wahlkampf hatte US-Präsident Barack Obama einen kompletten Abzug der Armee versprochen. Heute Abend will Obama seine Pläne offiziell bekannt geben. In den Reihen ist lautes Murren zu hören. Begeht Obama seinen ersten Fehler?

Washington. Es ist die Stunde der Wahrheit. Kein Versprechen des Wahlkämpfers Barack Obama war wichtiger und symbolhaltiger als das Versprechen auf einen raschen Irak-Rückzug es war der Inbegriff für den Neuanfang, für den Bruch mit der Politik von Präsident George W. Bush. Ein rascher Abzug der US-Soldaten aus dem Irak für Millionen Amerikaner bedeutet dies schlichtweg Aufatmen nach einem Alptraum.

Doch nun sollen 35.000 bis 50.000 Soldaten erst einmal weiterhin im Irak bleiben. Selbst treue Demokraten reiben sich die Augen über die Pläne ihres Präsidenten. So haben sie sich das nicht vorgestellt. Begeht Präsident Obama seinen ersten großen Fehler?

Immerhin: Die Unruhe im eigenen Lager ist so ernst, dass Obama noch am Vorabend der offiziellen Bekanntmachung seiner Pläne führende Abgeordnete und Senatoren kurzfristig ins Weiße Haus geladen hat. "Obama sah sich scharfer Kritik gegenüber...", berichtete die "Washington Post" über das Treffen. "Die meisten Abgeordneten verließen das Weiße Haus sofort nach dem Treffen", schreibt das Blatt. Eine zarte Andeutung, dass die Stimmung nicht gerade erhebend gewesen sei.

Auch öffentlich machten führende Demokraten aus ihrem Ärger keinen Hehl. Zwar will Obama alle "Kampftruppen" bis August 2010 abziehen. Auch die verbleibenden 35.000 bis 50.000 Mann sollen laut TV Sender CNN zumindest zum großen Teil bis 2011 zurück in die Heimat kommen. Aber für viele Demokraten fühlt sich das beinahe wie eine "Mogelpackung" an offiziell ist von Rückzug die Rede, aber rund ein Drittel der Soldaten bleiben im Land? "Ich bin glücklich, wenn ich dem Verteidigungsminister und dem Präsidenten zuhöre", meint Harry Reid, Fraktionschef der Demokraten im Senat, höflich. "Doch wenn Sie von 50.000 (verbleibenden Soldaten) reden, das ist eine etwas höhere Zahl, als ich erwartet hatte."

Ähnlich vorsichtig im Ton, aber klar in der Sache äußert sich der demokratische Senator Parry Murray. "Ich glaube, wir sollten sehr genau auf die vorliegenden Zahlen achten, und ich meine, wir sollten dies so rasch wie möglich tun." Das klingt fast wie eine Warnung. Muss sich Obama ausgerechnet in Sachen Irak, dem Leib-und-Magen-Thema der Demokraten, auf Widerstand im Parlament gefasst machen?

Es heißt, die Entscheidung, eine beträchtliche Truppe auch nach dem "Irak-Abzug" im Land zu lassen, habe Obama nach eingehender Konsultation mit Truppenkommandeuren und anderen hohen Militärs gefällt, heißt es in US-Medienberichten. Bereits im Wahlkampf hatte sich zum Ärger von Parteifreunden eine "Wende" Obamas angedeutet. Zunächst hatte er stets ohne Wenn und Aber einen Rückzug innerhalb von 16 Monaten nach Amtsantritt versprochen.

Dann war Obama allerdings vorsichtiger geworden, sprach immer häufiger von einem "verantwortungsvollen" Rückzug, nannte nicht länger einen genauen Zeitraum. Kaum gewählt, entschied sich Obama dann für einen höchst ungewöhnlichen Schritt: Er entschloss sich, Verteidigungsminister Robert Gates, den Mann, der bereits unter Präsident Bush diente, im Amt zu behalten.

Gates befürwortet eindringlich den Verbleib einer beachtlichen Irak-Truppe. Zwar sagt er, die verbleibenden Soldaten hätten eine gänzlich andere Funktion als die derzeitigen Kampftruppen. Es gehe um Ausbildung irakischer Soldaten, um den Schutz verbleibender Amerikaner. "Es wird eine ganz andere Mission sein, als wir sie jetzt haben", meint Gates.

Doch der Minister spricht auch von "Counterterrorism Missions", also Spezialeinsätzen gegen Terroristen. Doch dass fast 50.000 Soldaten einzig und allein zur Ausbildung und Sicherung in Irak bleiben sollen, ist für viele Demokraten kaum verständlich.