In den fünf Jahren seit der jüngsten Erweiterung ist die Europäische Union (EU) um zwölf Mitgliedsstaaten und 104 Millionen Menschen gewachsen. Hat...

In den fünf Jahren seit der jüngsten Erweiterung ist die Europäische Union (EU) um zwölf Mitgliedsstaaten und 104 Millionen Menschen gewachsen. Hat die Erweiterung den existierenden Mitgliedern wirklich genutzt? Ja. Und wird sie ihnen auch in Zukunft nutzen? Ja. Vorausgesetzt, die Beitrittskandidaten erfüllen die strengen, aber fairen Beitrittsbedingungen. Heute stellt die Europäische Kommission ihren Bericht über die EU-Erweiterung vor und erläutert die Vorteile und Herausforderungen, welche eine Erweiterung mit sich bringt. Für uns in Europa ist das ein Anlass, die vergangenen fünf Jahre Revue passieren zu lassen, über sie und über die Zukunft nachzudenken.

Beitrittskandidaten wie Kroatien, die ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien und die Türkei bietet eine Mitgliedschaft Chancen, uns bietet sie Vorteile. Die Mitgliedsstaaten sind stolz auf ihre kulturelle Vielfalt, doch haben wir gemeinsame Werte und setzen hohe Maßstäbe. Es liegt also in unserem Interesse, dafür zu sorgen, dass diese Werte und Maßstäbe über die jetzigen Grenzen der EU hinausgetragen werden.

In der Sicherheitspolitik zum Beispiel hat Großbritannien die Einführung eines europäischen Haftbefehls unterstützt, um die Überstellung mutmaßlicher Straftäter von einem Mitgliedsstaat zum anderen zu erleichtern. Das nützt uns allen, denn Kriminalität überschreitet zunehmend nationale Grenzen. Das organisierte Verbrechen gelangt vom Balkan bis in die Straßen unserer Städte, es ist also sinnvoll, diese Länder zur Mitarbeit im Rahmen unseres Systems zu ermutigen und damit die langfristige Bedrohung unserer Sicherheit durch Kriminalität und Instabilität auf dem Balkan zu reduzieren. Eine EU-Mitgliedschaft kann dazu beitragen.

Die Aussicht auf eine Aufnahme in die EU treibt Reformen in den Bewerberländern voran, und durch die Mitgliedschaft werden diese Reformen dann fest verankert, werden Maßstäbe gesetzt und aufrechterhalten. Im vergangenen Jahr wurden Bulgarien und Rumänien wegen ungenügender Fortschritte im Kampf gegen Korruption kritisiert. Bulgarien wurden daher beträchtliche EU-Fördergelder gestrichen. Ein EU-Beitritt ist kein Spaziergang im Park und darf es auch nicht sein.

Großbritanniens Antrag auf EU-Beitritt wurde zweimal abgelehnt, bevor es 1973 aufgenommen wurde. Seitdem haben wir erlebt, wie sich die Zahl der Mitglieder verdreifacht hat, wie kollektives Wirtschaftswachstum und Demokratie sich ausgebreitet haben und in Ländern des ehemaligen Ostblocks Fuß fassen.

Wie alles Neue bringt auch eine neue Erweiterung Risiken mit sich. Aber diese werden von einem strikten Rahmenwerk in Grenzen gehalten. Einem Rahmenwerk, das uns auch höhere Einkommen gebracht hat, mit dessen Hilfe wir weitere Partnerschaften gebildet und die starke Fähigkeit erworben haben, unsere Werte und Standards in einer sich verändernden Welt auszuhandeln.

Sich auf diese gemeinsamen Maßstäbe und Werte zu einigen ist natürlich nicht immer einfach. In ganz Europa, Großbritannien inbegriffen, haben wir Demonstrationen und Debatten über die Rechte von EU-Bürgern auf Arbeitsplätze in anderen Mitgliedsstaaten erlebt. Diese Debatte hat auch eine Kehrseite: Seit 2004 ist der EU-Binnenmarkt um mehr als eine Million Verbraucher gewachsen. Deshalb hat Großbritannien 2005 zum Beispiel seine Exporte in die acht neuen, osteuropäischen Mitgliedsstaaten um mehr als 150 Prozent, verglichen mit der vorangegangenen Dekade, erhöht. Die Debatten dauern also an. Wenn wir uns aber nach innen kehren, laufen wir Gefahr, die Stärke unserer Einheit nicht zu erkennen und zu nutzen.

Unsere gemeinsamen Werte über die bestehenden EU-Grenzen hinauszutragen gibt uns die Chance, außerhalb der EU mit lauterer und klarerer Stimme zu sprechen. Wenn wir mit China, Russland oder den Vereinten Nationen über Handels- und Energiepolitik, über internationale Entwicklungshilfe sprechen, hilft uns unser kollektiver Einfluss, unsere nationalen Interessen zu sichern. Und unsere kollektive Stärke bedeutet, dass wir uns der Herausforderung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise gemeinsam stellen und gemeinsam für eine Erholung der Wirtschaft arbeiten können. Und weitere gleich gesinnte Mitgliedsstaaten können dabei nur hilfreich sein. Sollte sich zum Beispiel Island um eine Mitgliedschaft bewerben, könnte es durchaus ein Nettobeitragszahler werden und die EU ermutigen, den Blick mehr nach außen zu richten, sowie gleichzeitig zur Förderung von Wachstum innerhalb der EU beitragen.

Aber am Ende geht alles wieder auf gemeinsame Werte und hohe Standards zurück. Das Tempo der Verhandlungen wird vom Tempo der Reformen bestimmt. Und solange unser Rahmenwerk unsere Werte und Maßstäbe zusammenhält, sollten wir nach vorn schreiten. Erfolgreiche Erweiterung wird Großbritannien, der EU und den Beitrittsländern selbst bedeutende Vorteile bringen.


Caroline Flint ist Europaministerin von Großbritannien. Seit Oktober 2008 gehört sie dem Kabinett von Premierminister Gordon Brown an.