Europäische Monarchen nehmen sich Freiheiten heraus, die weder vorbildhaft sind noch zur angespannten Finanzlage ihrer Länder passen.

Der 29. März 1956, Gründonnerstag, war ein strahlend schöner Tag im Seebad Estoril, dem Rückzugsort der reichen Oberschicht von Lissabon. Auch der im portugiesischen Exil lebende spanische Kronprätendent Juan de Borbón y Battenberg verbrachte mit seiner Familie hier den Urlaub. Irgendwann fiel ein Schuss in der idyllischen Residenz und traf Juans 14-jährigen Sohn Alfonso tödlich in die Stirn. Einziger Zeuge des Dramas war Alfonsos 18-jähriger Bruder Juan Carlos. Es hieß, der Schuss habe sich beim Reinigen eines Gewehres gelöst; doch was tatsächlich passierte, wurde nie geklärt. Eine Untersuchung fand niemals statt, die Waffe wurde von Juan de Borbón persönlich im Meer versenkt.

Spaniens Diktator Franco, der von 1939 bis zu seinem Tod 1975 mit harter Hand regierte, wollte, dass nach seinem Tod Juan Carlos König werden sollte. Das hatte er mit dessen Vater vereinbart. Franco hatte die Monarchie 1946 wieder eingeführt, aber selber als Regent fungiert.

Das Drama von Estoril rückt durch die jüngsten Vorfälle im spanischen Königshaus wieder in die Erinnerung. Erst vor wenigen Tagen schoss sich der Enkel von Juan Carlos, der 13-jährige Felipe Juan Froilan, in der königlichen Residenz in Soria nördlich von Madrid in den Fuß - mit einem Gewehr, das er in seinem Alter noch gar nicht handhaben dürfte. Dann kommt die teure Elefantenjagd des Königs im afrikanischen Botswana heraus, der doch Ehrenpräsident der spanischen Sektion der Tierschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) ist. Die teure Safari erregt nicht nur Tierschützer, sondern auch Millionen Spanier, die der rigorose Sparkurs der Regierung in Nöte bringt.

Spanien hat die höchste Jugendarbeitslosigkeitsrate in der EU - und der König hatte seine Untertanen gerade dazu aufgerufen, einige Gewohnheiten aufzugeben, um Einsparungen zu ermöglichen. Nun schlug eine Welle des Protestes über dem Zarzuela-Palast zusammen. Als erster König in der langen Geschichte Spaniens sah sich Juan Carlos zu einer Entschuldigung gezwungen. Noch im Krankenhaus nach seiner Hüftbehandlung versicherte er vor Journalisten kleinlaut, "es werde nie wieder vorkommen".

Eine gute Presse hat der einst ungeheuer populäre Monarch schon lange nicht mehr. Sogar die spanischen Medien haben nun "ihre Beißhemmung" gegenüber dem König verloren, wie der "Spiegel" formuliert, und breiten dessen zahllose Affären genüsslich aus. Gegen den 74-jährigen Juan Carlos, so wird deutlich, nimmt sich der legendäre Don Juan aus wie ein Mönch vom Berg Athos. Säftelnd kolportieren Boulevardblätter die eindrucksvolle Zahl von 1500 angeblichen Liebschaften.

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Sein Schwiegersohn, der frühere Handballstar Inaki Urdangarin, steht derweil im Verdacht, Millionen veruntreut zu haben. Er ist das erste Mitglied des Königshauses, das angeklagt wurde.

Dass die Ehe von Juan Carlos mit Königin Sofia, 73, als völlig zerrüttet gilt, dass das Paar bekanntermaßen schon seit 1976 verschiedene Stockwerke des Zarzuela-Palastes in Madrid bewohnt, könnte man eigentlich in die Abteilung "Kessel Buntes" abschieben. Doch die Rolle des Königshauses ist für Spanien zentral. Obwohl durch einen Diktator installiert, hat sich der König seit seiner Thronbesteigung 1975 als standfester Verteidiger der Demokratie gezeigt. Das erwies sich in den Anfangsjahren der Demokratisierung, vor allem aber im Februar 1981, als Armee und Guardia Civil unter General Milans de Bosch und Oberstleutnant Antonio Tejero einen Putsch versuchten und Tejero mit gezückter Waffe das Parlament stürmte. Mit einer flammenden Fernsehansprache zog der König damals das Militär auf seine Seite - der Umsturz scheiterte jämmerlich.

Jetzt fordern Demonstranten, der König möge abdanken. Tausende Spanier verlangten in einer Petition auch seinen Rücktritt vom Ehrenamt des spanischen WWF. Die Institution Krone ist beschädigt. Gegner der Monarchie mag das freuen, doch ist dies politisch keineswegs unproblematisch.

Zwar gibt es Kritiker, die Juan Carlos' Rolle als Hüter der Demokratie für überschätzt halten. Auch soll er 1981 durchaus Sympathien für die Putschisten gehegt haben, weil er die damalige Regierung angeblich auch nicht leiden konnte. Doch ist das Königshaus, ähnlich wie in anderen europäische Monarchien, insgesamt ein Symbol für eine stabile, freiheitliche Rechtsordnung.

Das aus dem Griechischen abgeleitete Wort Monarchie bedeutet eigentlich Alleinherrschaft und wäre somit das Gegenteil einer Demokratie, der Herrschaft des Volkes. Doch nur einige der weltweit gut 40 Monarchien sind noch absolut - das sind etwa Saudi-Arabien und Katar, Brunei, Oman und das afrikanische Swasiland. Keine wesentliche Rolle spielen die mehr als 30 subnationalen Monarchien, die weitgehend in Afrika und Asien liegen, von Häuptlingen, Sultanen oder Emiren regiert werden und Anufu, Kotokolien oder Selangor heißen.

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Und während etwa der König von Saudi-Arabien dafür bekannt ist, jegliche Bestrebungen Richtung Demokratie und Parteienpluralität mit großer Härte zu unterdrücken, beziehen mehrere europäische Königshäuser einen guten Teil ihrer moralischen Legitimität aus dem Widerstand gegen Tyrannei. Das gilt für das britische Königshaus, das während des Zweiten Weltkriegs ungeachtet deutscher Bombenangriffe mit steifer Oberlippe in London sitzen blieb. Der Film "The King's Speech" zeichnet den mühsamen Weg König Georgs VI. nach, des Vaters von Königin Elizabeth II., der sein Stottern ablegen musste, um sein Land in mitreißenden Reden zum Widerstand gegen die Nazi-Barbarei aufzurufen.

Beschädigt wurde die britische Monarchie gewiss nicht durch die politisch unkorrekten, aber oft schreiend komischen Äußerungen von Elizabeths Gemahl Philipp, der Bundeskanzler Kohl ein kräftiges "Guten Tag, Herr Reichskanzler" entgegenschmetterte oder dem Landestracht tragenden Präsidenten von Nigeria zurief: "Sie sehen ja aus, als wollten Sie gleich ins Bett gehen." Zu Grundsatzdebatten über den Sinn der Monarchie führten erst das Leiden und Sterben der von den Royals eindeutig zu wenig geliebten Prinzessin Diana oder erhebliche Zweifel an der Eignung des Dauerthronfolgers Prinz Charles, der erklärtermaßen gern bei seiner damaligen Geliebten und jetzigen Gattin Camilla als Tampon gedient hätte. Ernsthaft gefährdet war die Monarchie allerdings nie - die Rolle der königlichen Familie ist in Politik und Gesellschaft fest verankert.

Ebenso in den Niederlanden. Königin Wilhelmina floh zwar vor den deutschen Besatzungstruppen ins Londoner Exil, organisierte aber von dort aus den Widerstand. Der britische Kriegspremier Winston Churchill attestierte ihr, "der einzige Mann in der niederländischen Regierung" zu sein. Als sie 1948 zugunsten ihrer Tochter Juliana abdankt, bleibt sie als "Mutter des Vaterlandes" in Erinnerung. Julianas Tochter Beatrix, ähnlich kühl und effizient wie Elizabeth II., führt die "Oranien AG" erfolgreich weiter. Das Königshaus erschütterte auch nicht, dass ihr Vater, Prinz Bernhard, zugeben musste, dass er ein nicht eheliches Kind hatte und überdies Schmiergelder vom US-Flugzeugkonzern Lockheed angenommen hatte. Als Beatrix 2005 ihr 25-jähriges Thronjubiläum feierte, sprachen sich 79 Prozent der Niederländer für die Beibehaltung der Monarchie aus.

Auch in Dänemark hat der Widerstand gegen das NS-Regime eine wesentliche Rolle bei der Verankerung der Monarchie in den Herzen der Menschen gespielt. Unvergessen ist, wie König Christian X. in stolzer Haltung, bejubelt von den Dänen, durch die Straßen Kopenhagens ritt, bis ihn die Deutschen unter Hausarrest stellten. Der Zweimeterhüne soll einen deutschen General dazu gebracht haben, die NS-Flagge von Schloss Christiansborg, dem Sitz des Reichstages, wieder zu entfernen. Er werde sie sonst selber herunterholen, hatte er gedroht - was bei Todesstrafe der Besatzungsmacht verboten war. Seine Enkelin Margrete II. gilt außer ihrer Neigung zum Kettenrauchen als skandalfrei.

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Der Bruder Christians X. wurde als Haakon VII. König von Norwegen und stand monatelang an der Spitze des Widerstandes gegen die Deutschen, bis er nach London fliehen musste und dort der Exilregierung vorstand. Sein Enkel, Harald V., regiert unumstritten.

Ganz anders liegt der Fall in Schweden, das für Deutschland von besonderem Interesse ist, weil Königin Silvia gebürtige Deutsche ist. Der schwedische Monarch Carl XVI. Gustav befindet sich in ähnlich prekärer Lage wie Spaniens Juan Carlos: Ein wachsender Chor von Stimmen fordert, der König möge zugunsten von Kronprinzessin Viktoria zurücktreten.

Vor zwei Jahren erschien ein Buch, in dem Carl Gustav Affären und Besuche in zwielichtigen Etablissements nachgesagt wurden. Ein Hauch von Berlusconi'schem Bunga Bunga wehte plötzlich durch das sonst eher nüchterne Land. 63 Prozent der Schweden sprachen sich in einer Umfrage für einen Thronverzicht des Königs aus. "Die Monarchie schwankt", schrieb die liberale Zeitung "Dagens Nyheter" im vergangenen Jahr, als sich der König vor der Presse wenig souverän gegen die Anwürfe wehrte. Der Legastheniker muss seit 2004, als er den diktatorisch herrschenden Sultan von Brunei als "volksnah" pries, stets ein Regierungsmitglied auf Auslandsreisen mitnehmen, um neue Entgleisungen zu vermeiden.

Ohne Frage hat Carl XVI. Gustaf das Vertrauen der Schweden verspielt. Die Zeitung "Aftonbladet" forderte den König gar zum Abdanken auf: Die Skandale zeigten, wie brüchig die schwedische Staatsform sei, und es sei absurd, dass weder Kompetenz noch Legitimierung durch das Volk bei der Besetzung des höchsten Staatsamtes eine Rolle spielten. Man diskutiert - aber eine Abschaffung der Monarchie ist derzeit nicht in Sicht.

Erbmonarchen in konstitutionellen oder parlamentarischen Systemen sind demokratisch eben nicht legitimiert. Sie sind aber auch keineswegs unabhängig vom Wohlwollen des Volkes. Wenn sie es verspielen, setzen sie nicht nur das Schicksal dieser Staatsform aufs Spiel - sie verstärken damit häufig eine allgemeine Staatsverdrossenheit, die die Demokratie am Ende massiv beschädigen kann.