Gegen drei Mitglieder des lybischen Gaddafi-Regimes wurde Haftbefehl beantragt. Die Rebellen eroberten in Misrata eine wichtige Stellung.

Den Haag/Tripolis. Wie wichtig kann dieser Schritt sein? Der Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehl gegen Muammar al Gaddafi sowie seinen Sohn Seif al Islam und den Geheimdienstchef Abdullah al Sanussi beantragt. Der stellvertretende Außenminister kündigte an, in Tripolis schenke man dieser Tatsache keine Beachtung. Guido Westerwelle dagegen begrüßte diese Entscheidung

Ein weiteres Ereignis in Libyen begleitete diesen Vorgang: In Misrata konnten Kämpfer der Rebellen eine strategisch wichtige Stellung erobern.

IStGH-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo warf Gaddafi, dessen Sohn Seif al Islam und dem Geheimdienstchef Abdullah al Sanussi vor, illegale Angriffe angeordnet, geplant und durchgeführt zu haben. Die Vorgänge stellten nicht nur ein Verbrechen gegen das libysche Volk, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Gaddafis Streitkräfte hätten Zivilpersonen in ihren Häusern angegriffen, auf Demonstranten geschossen, Trauerfeiern unter Beschuss genommen und Scharfschützen aufgestellt, um Menschen zu töten, die Moscheen verließen, sagte Moreno-Ocampo. Gaddafi habe die Anweisungen gegeben, sein Sohn Seif habe Söldner rekrutiert, und Sannusi sei direkt an den Übergriffen beteiligt gewesen.

Richter müssten jetzt die vorliegenden Beweise bewerten und entscheiden, ob ein Haftbefehl gegen die drei Libyer erlassen wird. „Der Fall liegt jetzt in ihren Händen“, sagte Moreno-Ocampo auf einer Pressekonferenz in Den Haag. Sein Team habe bereits so viele Beweise gesammelt, dass er bereit sei, vor Gericht zu gehen. Er ermittle außerdem weiter zu Vorwürfen von Massenvergewaltigungen und Kriegsverbrechen, die während des Konflikts von „verschiedenen Parteien“ verübt worden sein sollen.

Die libyschen Rebellen begrüßten die Entscheidung Moreno-Ocampos. Sie sei „ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg, mehr Druck auf Gaddafi und seinen Sohn auszuüben“, sagte Guma el Gamati, ein Vertreter der libyschen Opposition in Großbritannien.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Beantragung der Haftbefehle und das entschlossene Vorgehen des IStGH. Gaddafi und seine Gefolgsleute seien mit äußerster Härte und Menschen verachtender Brutalität gegen die Rebellen vorgegangen, teilte er in einer Erklärung mit. Der britische Außenminister William Hague sagte, „das Verhalten des Regimes von Gaddafi sorge weiterhin für große Beunruhigung“.

In der Hafenstadt Misrata konnten die Aufständischen unterdessen eine weitere strategisch wichtige Stellung der Regierungstruppen erobern. Nach den Luftangriffen der NATO in den vergangenen Tagen sei es möglich gewesen, den in einem Außenbezirk von Misrata gelegenen Ort einzunehmen, sagte Abdel Salam, ein Kämpfer der Rebellen, der Nachrichtenagentur AP.

In der südöstlich von Tripolis gelegenen Stadt Slitan konnten die Rebellen eigenen Angaben zufolge am Montag zwei Brigaden der Regierungstruppen vertreiben. Von unabhängiger Seite konnten die Angaben zunächst nicht bestätigt werden.

Die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls dürfte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Kampfhandlungen in Libyen haben. Da die Untersuchung vom UN-Sicherheitsrat beantragt worden war, wären aber alle UN-Staaten dazu verpflichtet, Gaddafi festzunehmen, sollte dieser ihr Staatsgebiet betreten.

Einige Staaten haben allerdings bereits angekündigt, einen möglichen Haftbefehl zu missachten, sollte Gaddafi ins Exil gehen. In einem ähnlichen Fall hatten in der Vergangenheit auch drei Staaten einen Besuch des sudanesischen Präsidenten Omar al Baschir erlaubt, gegen den ebenfalls nach einem Antrag des Sicherheitsrates ein Haftbefehl des IStGH erlassen wurde.