Nordkoreas Diktator Kim Jong-il bricht Beziehungen zum Süden ab, versetzt angeblich Truppen in Alarmbereitschaft und verärgert letzte Verbündete

Singapur/Hamburg. Die Spannungen zwischen Koreas Bruderstaaten steigen weiter. Nordkoreas Staatschef Kim Jong-il hat alle Beziehungen zum Süden abgebrochen und angeblich sogar seine Truppen in Kampfbereitschaft versetzt, wie nordkoreanische Überläufer aus Seoul meldeten. Zudem drohte das kommunistische Regime, Südkorea müsse mit militärischen Maßnahmen rechnen, falls südkoreanische Schiffe die umstrittene Seegrenze zwischen beiden Staaten verletzten.

Die Regierung in Pjöngjang will zudem alle Südkoreaner, die in einem von beiden Seiten genutzten Gewerbepark in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong arbeiten, ausweisen. Die nordkoreanische Staatsagentur KCNA meldete, alle Kommunikationswege zwischen beiden Staaten würden umgehend gekappt. Der nordkoreanische Diktator reagierte mit diesen Maßnahmen auf die Einstellung des Handels durch Südkorea. Zuvor hatte ein Bericht internationaler Ermittler Pjöngjang für den Untergang der südkoreanischen Korvette "Cheonan" mit 46 Toten im März verantwortlich gemacht.

Am 20. Mai war ein multinationales Ermittlungsteam in Seoul zu dem Schluss gekommen, dass Nordkorea der "plausibelste Täter" im Fall des versenkten 1200-Tonnen-Kriegsschiffs "Cheonan" gewesen sei. Nordkorea soll einen Torpedo auf das Schiff abgefeuert haben, der die "Cheonan" im Gelben Meer in zwei Teile riss. Es sind Teile des Torpedos geborgen worden, wie ein Stück des Propellers und Typenschilder mit Aufschriften, die eindeutig auf Nordkorea weisen sollen. Der "geliebte Führer" Kim Jong-il wolle keinen Krieg, hieß es in Pjöngjang, doch Nordkorea sei bereit, sich jedem Angriff entgegenzuwerfen.

Kim Yong-hyun, Professor für Nordkoreastudien an der Dongguk-Universität in der südkoreanischen Hauptstadt, zeigte sich erstaunt über den angeblichen Befehl für eine Kampfbereitschaft der nordkoreanischen Armee. "Für Kim Jong-il wäre ein solcher Befehl eine ziemlich ernste Angelegenheit", meinte der Professor. Allerdings hat auch der Süden den Ton weiter massiv verschärft: Offenbar plant die Regierung, Nordkorea als den "Hauptfeind" des Landes zu definieren, wenn es seine neue militärische Strategie präsentiert. Das berichtet die Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf eine Regierungsquelle.

Zudem hat Seoul nach sechs Jahren Pause seine Propagandasendungen gegen den Norden wieder aufgenommen. Seit Montag beschallen die Südkoreaner ihre Nachbarn an der Grenze mit westlicher Musik und politischen Nachrichten. Nordkorea hat bereits gedroht, sämtliche Propagandastationen an der demilitarisierten Zone (DMZ) mit Artillerie unter Feuer zu nehmen.

Beide koreanischen Staaten befinden sich seit Jahrzehnten offiziell im Kriegszustand. Vor knapp 60 Jahren, am 25. Juni 1950, war der Koreakrieg ausgebrochen, einer der verheerendsten Waffengänge der jüngeren Geschichte, in Südkorea "6.25" genannt. Er hatte als Bürgerkrieg begonnen, wurde aber sehr schnell internationalisiert, als sich die Großmächte mit hineinziehen ließen und ihn zum ersten "heißen" Konflikt im Kalten Krieg machten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die ehemalige japanische Kolonie Korea von den Alliierten in zwei Besatzungszonen geteilt worden, getrennt durch den 38. Breitengrad. Sowjetische Truppen besetzten den Norden Koreas, während die USA den Süden übernahmen.

Südkoreas erster Präsident, der konservative Rhee Syng-man, prahlte mit einem Marsch in den Norden, was seine militärischen Kapazitäten aber gar nicht zuließen. Nordkoreas Führer Kim Il-sung setzte auf Guerillakrieg und im Süden angezettelte Aufstände. Als diese Taktik keinen Erfolg zeigte, rief er den Krieg aus. Dafür aber benötigte er Moskaus Unterstützung, die ihm Josef Stalin erst mit einiger Verzögerung ein Jahr später gab. Außerdem schickte Stalin Kim auch zu Mao Tse-tung um Beistand. Die überlegen bewaffnete nordkoreanische Armee eroberte zunächst die gesamte Halbinsel bis auf eine kleines südkoreanisches Rückzugsgebiet im Südosten um die Hafenstadt Busan.

Die USA schickten daraufhin sofort Soldaten nach Südkorea. Damit war Kim Il-sung plötzlich mit den USA konfrontiert, die seine Truppen bald bis an Chinas Grenze zurückschlugen. Und damit schuf sich Washington wiederum einen neuen Gegner: Peking. Die chinesische Armee griff schließlich massiv aufseiten der Nordkoreaner ein. Glücklicherweise wurde der US- und Uno-Truppen-Befehlshaber Douglas MacArthur gestoppt, der chinesisches Territorium angreifen und Atomwaffen einsetzen wollte. Ein dritter Weltkrieg konnte knapp verhindert werden.

Die Fronten wogten hin und zurück; der Koreakrieg endete erst drei Jahre später ohne Sieger. Nordkorea war durch Luftangriffe stark verwüstet, fast drei Millionen Zivilisten und mehr als eine Million koreanische Soldaten waren tot. Die Verluste der chinesischen Armee gingen in die Hunderttausende. Ein Waffenstillstandsabkommen wurde unterzeichnet, aber ein Friedensvertrag bis heute nicht geschlossen. Seitdem reichen die Aggressionen von harmlosen innerkoreanischen Scharmützeln bis hin zu Grenzverletzungen und Kriegsandrohungen. Seinen Höhepunkt fand Pjöngjangs Säbelrasseln vorerst in den beiden Atomtests 2006 und 2009. Nach der "Sonnenscheinpolitik" von Nobelpreisträger Kim Dae-jung und dessen Nachfolger Roo Moo-hyun und einiger Jahre der Entspannung haben sich mit dem konservativen Lee Myung-bak seit Februar 2008 die Spannungen wieder spürbar erhöht. Inzwischen betont Lee lautstark Seouls Recht auf Selbstverteidigung, falls Pjöngjang angreifen sollte.

Südkorea fühlt sich bedroht - die Hauptstadt Seoul liegt keine 50 Kilometer von der schwer bewaffneten Entmilitarisierten Zone entfernt. In den Schubladen der südkoreanischen Militärs liegen Notszenarien für den Fall eines Erstschlags der Nordkoreaner.