Die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft zeigt auf dem Balkan Wirkung. Nach der Mladic-Verhaftung in Serbien ist das Land auf dem Weg nach Europa.

Brüssel. „Die gesamte Region gerät in Bewegung“, sagt Valentin Inzko, Hoher Vertreter der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina. Das Amt des Österreichers wurde 1995 im Dayton-Abkommen geschaffen, um das Land von Bosniern, Serben und Kroaten irgendwie zu stabilisieren. Hier soll Ratko Mladic, der bosnische Serbengeneral, Tausende umgebracht haben. Nun sieht Inzko in der Verhaftung von Mladic eine große Chance für den gesamten Westbalkan.

Wenn sich für Serbien in absehbarer Zeit das Tor zur Europäischen Union (EU) öffne, dann gebe es eine „neue regionale Architektur“. Kroatien steht schon kurz vor dem EU-Beitritt, Montenegro hofft zuversichtlich – und auch im noch weit von der EU entfernten Bosnien-Herzegowina könne ein Prozess gegen Mladic immerhin die Gemüter beruhigen. Inzko: „Der große Verbrecher, die große Symbolfigur war Ratko Mladic.“

Serbien gilt als das wichtigste Land auf dem westlichen Balkan. Dass die Einbindung Belgrads in die EU nötig ist, ist im Kreis der 27 EU-Staaten unbestritten. Streit gab es aber darum, wie schnell das geschehen sollte. Die Niederlande – wo das UN-Tribunal ansässig ist - und beispielsweise Belgien und Deutschland betonten beharrlich, die Beitrittskriterien dürften nicht verwässert werden. Abstriche bei Rechtsstaatlichkeit, funktionierender Verwaltung, guter Regierungsführung und Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität seien nicht möglich.

Andere EU-Mitglieder mit größerer Balkan-Nähe – beispielsweise Griechenland, Österreich oder Ungarn – haben hingegen immer wieder „neuen Schwung“ für die Erweiterung der EU gefordert. Sonst könnten auf dem West-Balkan jene Reformen ins Stocken geraten oder gar rückgängig gemacht werden, die zur Erreichung der Beitrittskriterien nötig sind. Die Menschen müssten greifbare Vorteile der Zugehörigkeit zum Rest Europas erkennen, damit die Zustimmung zum EU-Beitritt nicht noch weiter sinke.

Auch der offizielle Kandidatenstatus Serbiens für den EU-Beitritt, der jetzt kommen könnte und mit zusätzlichen Finanzhilfen verbunden ist, wäre nach Aufhebung der Visapflicht Ende 2009 ein wichtiges Zeichen. Freilich wird Serbien nicht in die EU durchgewunken. Auch alle anderen Voraussetzungen müssten erfüllt sein, sagt Erweiterungskommissar Stefan Füle: „Die Liste ist nur um einen Punkt kürzer geworden.“

Tatsächlich erinnern sich viele EU-Politiker noch an den Beitritt Rumäniens und Bulgariens im Januar 2007, bei dem sie sich die Fähigkeit der beiden Länder zur Mitgliedschaft schöngeredet hatten. Danach war beschlossen worden, künftig vorsichtiger zu sein.

Die EU betont immer wieder die „europäische Perspektive“ für die Westbalkan-Staaten, weil die Aussicht auf EU-Beitritt das Hauptmotiv für Reformen ist. Kroatien entzog dem als Kriegsverbrecher gesuchten Ante Gotovina erst den Schutz, als die EU die Beitrittsverhandlungen mit Zagreb aussetzte. Ein Grenzstreit mit Slowenien wurde erst beigelegt, als die EU Kroatien an das Erfordernis „gutnachbarlicher Beziehungen“ erinnerte. Serbien hat die Rhetorik gegen die Unabhängigkeit des Kosovos gemindert, doch sehen EU-Diplomaten hier noch das größte Hindernis für den möglichen Beitritt zur EU.

Luxemburgs Premierminister Jean Claude Juncker, ein starker Fürsprecher der Balkanländer, mahnt, man habe vielfach schon vergessen, dass Europa immer noch eine Frage von Krieg und Frieden sei. Das zeigten die Balkan-Kriege: „Die Dämonen schlafen nur.“ (dpa/abendblatt.de)