Die Geheimdienste der USA gehen davon aus, dass Libyens Diktator Muammar Gaddafi den Machtkampf gegen die Rebellen gewinnen werde.

Washington/London/Paris/München. Die US-Geheimdienstbehörden gehen davon aus, dass der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi im Kampf gegen die Rebellen vermutlich die Oberhand behalten wird. Grund der Annahme, dass das Regime um Gaddafi gewinnen werden, sei die wesentlich bessere Ausrüstung und die logistischen Möglichkeiten, die Gaddafi mehr als seine Gegner einsetzen könne. Daher könne dieser eine Stagnation im Konflikt besser überdauern, sagte der nationale Geheimdienst-Direktor James Clapper am Donnerstag. "Wir glauben, dass Gaddafi langfristig bleiben wird.“

Gleichzeitig schlosse der Chefkoordinator aller 16 US-Spionagebehörden nicht aus, dass Gaddafi die Kontrolle über Tripolis und die Umgebung behält, während die Hochburg der Rebellen, Bengasi, separater Kleinstaat wird.

Clapper begründete seine Einschätzung in einer Kongressanhörung damit, dass Gaddafi über ein riesiges Waffenarsenal verfüge. Das Arsenal beinhalte zahlreiche russische Flugabwehrraketen und Radarsysteme. Die Luftabwehr sei die zweitgrößte in der Region; nur die in Ägypten sei noch umfassender.

Die Rebellen hätten dem nicht genug entgegenzusetzen und seien zudem nicht ausreichend für den Kampf ausgebildet und organisiert. Zudem seien wichtige Militäreinheiten des Regimes ausgesprochen loyal zu Gaddafi, da er sie luxuriös ausstatte.

Mit seiner Einschätzung könnte Clapper den Handlungsdruck auf die US-Regierung erhöht haben, die Rebellen im Kampf gegen den Machthaber zu unterstützen. US-Präsident Barack Obama hat zwar Gaddafi bereits mehrfach zum Rücktritt aufgerufen, seine Regierung schreckt aber vor einem militärischen Einsatz zurück.

Nach einem Bericht der "Washington Post“ vom Donnerstag will das Weiße Haus die Suche nach Lösungen für Libyen lieber seinen Verbündeten überlassen. Obama wolle die US-Truppen nicht in einen weiteren Konflikt schicken. In Afghanistan sind derzeit rund 100.000 US-Soldaten im Einsatz, im Irak immer noch 50.000. US-Außenministerin Hillary Clinton teilte unterdessen mit, dass die USA ihren diplomatischen Draht zu Gaddafis Regime kappen. Die Regierung setze die "bestehenden Verbindungen mit der libyschen Botschaft“ in Washington aus“, sagte sie vor einem Kongressausschuss.

Die USA stehen nach Clintons Worten zudem mit den UN, der Nato, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga im Gespräch, um den Druck auf Gaddafi zur Einstellung der Angriffe gegen sein Volk durch weitere Sanktionen zu erhöhen. "Wir versuchen herauszufinden, ob es in der internationalen Gemeinschaft Bereitschaft zu grünem Licht für weitere Schritte gibt“, sagte die Ministerin.

Clinton bekräftigte, dass die USA auch militärische Optionen prüften, darunter eine Flugverbotszone, aber dass sie nicht im Alleingang handeln würden. Ein Vorgehen ohne internationale Zustimmung würde "unabsehbare Konsequenzen“ haben.

Die Ministerin kündigte zugleich weitere Kontakte zur libyschen Opposition an. "Ich werde einige der Personen hier in den USA treffen und wenn ich reise, um zu diskutieren, was die USA und andere mehr tun können“, sagte Clinton. Sie wird nach offiziellen Angaben vom 15. bis zum 17. März nach Ägypten und Tunesien reisen, wo die Präsidenten vom Volk gestürzt wurden.

Unterdessen sagte Gaddafis Sohn, Seif al-Islam, dass sich die libysche Führung, niemals den Rebellen ergeben werde. "Das ist unser Land, wir werden niemals aufgeben und uns niemals ergeben“, sagte Islam am Donnerstag in einem Interview mit den britischen Sendern Sky News und BBC TV. "Wir kämpfen hier in Libyen, wir sterben hier in Libyen“, fügte der Gaddafi-Sohn hinzu, der sich häufig auf englisch in internationalen Medien äußert.

Angesichts der Krisengespräche von NATO und EU über die Lage in Libyen und die Möglichkeit zur Einrichtung einer Flugverbotszone sagte Islam: "Das libysche Volk wird die NATO und die USA niemals willkommen heißen.“ Zugleich kritisierte er den Schritt Frankreichs, das am Donnerstag als erstes Land die libysche Opposition als rechtmäßige Vertretung des Landes anerkannt hatte.

Die libysche Führung habe keine Angst vor ausländischen Truppen, sagte Islam. Diese würden den Kampf verlieren. Bei einem Treffen mit jungen Regierungsanhängern sagte er, der Sieg sei bereits nahe. Seinen "Brüdern und Verwandten“ im Osten des Landes, die um Hilfe gebeten hätten, sage er: "Wir kommen.“

Zugleich kündigte Islam in den britischen Medien an, dass die drei Ende Februar in Libyen gefangengenommenen niederländischen Soldaten freigelassen würden. Diese würden an maltesische und griechische Beamte übergeben. Das Staatsfernsehen hatte zuvor berichtet, die Soldaten, zu denen auch eine Frau zählt, seien illegal nach Libyen eingereist und sollten an Griechenland und Malta übergeben werden.

Unterdessen berichtete das libysche Staatsfernsehen, dass die Ölstadt Ras Lanuf von Aufständischen "geleert“ sei und sich die Gaddafi-treuen Truppen auf dem Weg nach Bengasi, der Oppositionshochburg, befänden. Die Truppen seien derzeit dabei, die Ölstadt Brega weiter östlich zurückzugewinnen. Bei Bombardierungen bei Ras Lanuf wurden nach Angaben einen Krankenhausmitarbeiters in Brega am Donnerstag mindestens vier Menschen getötet und 35 verletzt.

In Deutschland herrscht dagegen Streit über ein Rettungseinsatz, bei dem die Bundewehr Ende Februar 132 Ausländer, darunter 22 Deutsche, aus der libyschen Wüste evakuiert hat. Abgeordnete der Oppositionsparteien werfen der Bundesregierung vor, das Parlament bei der Aktion unzulässig umgangen zu haben. "Es ist richtig, dass man die Leute evakuiert hat. Die Regierung kann aber nicht so tun, als hätte das mit dem Bundestag nichts zu tun“, sagte der Grünen-Obmann im Verteidigungsausschuss, Omid Nouripour, der "Süddeutschen Zeitung“ (Freitagausgabe) laute einem Vorabbericht. Die "Operation Pegasus“ war von bewaffnete Bundeswehrsoldaten abgesichert worden.

Jeder bewaffnete Einsatz der Bundeswehr im Ausland bedarf nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz der Zustimmung des Bundestages. Bei "Gefahr im Verzug“ muss diese zwar nicht im Vorhinein eingeholt werden. Klar heißt es aber: "Der Antrag auf Zustimmung zum Einsatz ist unverzüglich nachzuholen.“ Das ist laut Zeitung bisher nicht geschehen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) informierte zwar alle Fraktionschefs vor und nach dem Einsatz. Unterrichtet wurden außerdem die Obleute. Ein förmliches Plazet des Bundestages ist nach Darstellung des Auswärtigen Amtes aber nicht nötig, weil sich die Aktion im Nachhinein nicht als bewaffneter Einsatz, sondern als "gesicherter Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung“ erwiesen habe.

Dies sei eine "recht kuriose Rechtsauffassung“, kritisierte der Linke-Rechtsexperte Wolfgang Neskovic. Die absurde Folge sei: "Immer wenn ein Rettungseinsatz glimpflich ausgeht, kann die Regierung ohne das Parlament handeln. Wenn es aber Schüsse oder auch Tote gibt, dann sollen die Parlamentarier im Nachhinein dafür ihren Kopf hinhalten." Notfalls wolle er seiner Fraktion den Gang zum Bundesverfassungsgericht empfehlen, sagte Neskovic.

(abendblatt.de/dpa/afp/dapd)