Wie Lukaschenkos Helfer Journalisten einschüchterten und sogar verschleppten. 17 Stunden voller Angst im Polizeikeller in Minsk.

Minsk. „Fasst Sie!“, ruft ein Mann in Zivil mehreren Polizisten zu. Nur wenige Sekunden später kniet die AFP-Journalistin Maria Antonova mit hinter dem Kopf verschränkten Händen in einem Polizeitransporter, umringt von festgenommenen weißrussischen Demonstranten. Die Reporterin berichtete am Sonntag über die Massenproteste in Minsk nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl. Doch der Abend endete für sie in einem Gefängnis der weißrussischen Hauptstadt, das sie erst 17 Stunden später wieder verlassen konnte.

Eigentlich will Antonova am Sonntagabend nur zurück in ihr Hotel, doch Polizisten in Schutzanzügen blockieren die Wege. Direkt vor ihr schleudern sie ein junges Paar zu Boden. Die Frau schreit, die Beamten prügeln mit Schlagstöcken auf den Mann ein.

Als Antonova selbst an der Reihe ist, hilft ihr auch das Vorzeigen der eigens vom weißrussischen Außenministerium ausgestellten Pressekarte nicht mehr. „Sie sind doch von AFP, was wollen Sie hier? Gehen sie nach Frankreich!“, wird die Reporterin stattdessen von einem Beamten angeherrscht – und ebenso wie das Paar zu dem Polizeibus geführt.

Gemeinsam mit neun weiteren Festgenommenen muss Antonova dann in kauernder Position auf dem Boden ausharren. Eine kleine Bewegung reicht, und die Beamten schlagen mit ihren Stöcken zu. Einer ihrer Leidensgenossen ist Asthmatiker. Er keucht, er braucht sein Atmungsgerät, das er jedoch nicht dabei hat. Die Antwort eines Beamten: „Wir werden dir deinen Inhalator mit ins Grab werfen!“

Dutzende Polizeibusse bringen in dieser Nacht nacheinander die Abgeführten auf Polizeiwachen in Minsk, auch lange nachdem die Massenproteste in der Innenstadt vorbei sind. Auf der Wache werden weder Fragen beantwortet, noch werden den Festgenommenen ihre Rechte erklärt. Antonova harrt dort mit rund 90 Abgeführten aus. Schnell wird klar, dass viele mit den Protesten nichts zu tun haben, sondern nur zufällig in die Kontrollen geraten sind. Da ist ein Mann, der die Beamten nach einem Geschäft fragte, eine Frau wollte gerade ihren Friseursalon schließen.

Die Nacht verbringt Antonova mit ihren Leidensgenossen in einem Keller der Polizeiwache. Erst als nach zwei Stunden eine Frau fragt, weshalb die Festgenommenen eigentlich gequält werden, dürfen sie auf die Toilette. Ein Mann blutet stark an der Hand, seine Mitgefangenen verarzten ihn notdürftig mit Tüchern. Eigentlich müssten sie nach weißrussischem Gesetz alle nach drei Stunden in Gewahrsam freikommen. Stattdessen werden Fotos gemacht und Fingerabdrücke abgenommen.

Antonova weigert sich schließlich, ein Protokoll zu unterschreiben, in dem falsche Angaben stehen und außerdem vermerkt ist, dass sie an den Protesten teilgenommen hat. Sie wird von den Beamten herumgeschubst und beleidigt. „Sie hassen es, wenn man sie ignoriert“, sagt eine offenbar erfahrene Beamtin zu ihr. 13 Stunden nach ihrer Festnahme wird sie mit anderen Gefangenen in eine andere Zelle gebracht. Draußen ist es längst hell, doch das Zeitgefühl geht verloren. Durch den Lüftungsschacht ist das Weinen eines Mitgefangenen zu hören.

Zahlreiche weitere Journalisten, vor allem russische und weißrussische Reporter, sind in der Nacht zum Montag festgenommen und inzwischen teils zu mehrtägigen Haftstrafen verurteilt worden, so dass sie Weihnachten und Neujahr hinter Gittern verbringen müssen. Antonova entgeht einer Verurteilung. Nach 17 Stunden wird sie freigelassen – ebenso wie bei ihrer Festnahme ohne jede Erklärung. Für die Beamten scheint die Sache erledigt zu sein. Einer ruft ihr zum Abschied zu: „Ich hoffe, wir bleiben Freunde!