Von wegen Arroganz: „Ich weiß es besser.“ Gerhard Schröder über alte Zeiten, Angela Merkel und verrücktes Tennis mit Tony Blair.

Hamburg. Er langweilt sich. Titelt der „Stern“ in dieser Woche. Seine Frau in der Politik, er nur ein abgehalfterter Ex-Kanzler? Im Gegenteil, ein Mann in den Spuren von Helmut Schmidt, sagen die anderen. Um Gerhard Schröder, seine Verdienste, sein Engagement und sein politisches Erbe ist kurz vor seinem 70. Geburtstag am 7. April eine Kontroverse entbrannt. Er hat sich selbst zu Wort gemeldet und in diversen Interviews und Büchern seine Sicht der Dinge dargestellt. Quintessenz: „Ich nehme mich selbst nicht so wichtig.“

So sagte Schröder der „Bunten“, Fachblatt für aufgeklärten Polit-Journalismus: Er sehe sich nicht als Elder Statesman oder Gewissen der Nation. „Eine solche Rolle können Sie nicht anstreben“, so Schröder zur Münchener Illustrierten.

Bevor ein ehemaliger Politiker darüber reflektiere, was die Welt im Innersten zusammenhält, brauche er eine „gewisse zeitliche Distanz zu diesem Geschäft“. Ob er selbst jemals in den für diese Rolle erwarteten Stand der Weisheit eintreten werde, wisse er nicht, sagte Schröder. Er halte es mit Papst Johannes XXIII., der einmal gesagt habe: „Mensch, nimm dich nicht so wichtig.“ Tatsächlich sagte der einflussreiche Papst: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.“

Doch Schröder hat eine Botschaft, wie er in Reinhold Beckmanns Talk unter Beweis stellte. Schröder warnte die Parteien in der Einwanderungsdebatte vor Rechtspopulismus: „Die Diskussion, die von der CSU geführt wurde, habe ich verstanden als Versuch, mit einer einwanderungskritischen Position die Leute am rechten Rand für sich zu behalten“, so Schröder in der ARD-Sendung.

„Letztlich wird dann das Original gewählt und nicht das Plagiat“, warnte er angesichts der CSU-Aussage „Wer betrügt, der fliegt“: „Vorsicht. Wasser auf die Mühlen der anderen zu leiten, das geht schief.“

Schröder schließt nicht aus, dass es in Deutschland in der Frage der Zuwanderungsbegrenzung ein ähnliches Ergebnis wie zuletzt in der Schweiz geben könnte: „Ich möchte keine Volksabstimmung machen über die Frage der Einwanderung. Ich würde hoffen, dass man zu einer rationalen Bewertung käme, aber ich bin nicht sicher. Weil das, was man am Rand von CSU und AfD sieht, sind Aspekte, die ich erschreckend finde.“

In seinem neuen Buch, das an diesem Freitag vorgestellt wird, wirft er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter anderem ein miserables Management der Energiewende vor. Er rechne nicht mit einem Atomausstieg bis zum Jahr 2022. Zudem kritisiert er die milliardenschweren Verbesserungen im Rentenbereich, setzt sich mit Europa, Russland und dem Zustand der SPD auseinander. Das Buch „Klare Worte“ ist ein Interview-Band, in dem Schröder die Fragen des Journalisten Georg Meck beantwortet. Präsentiert wird es von Schröder und dem Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz.

Für Gerhard Schröder ist Arroganz das falsche Wort. „Überlegenheit trifft es besser. Einfach zu sagen: Ich weiß es besser. So, basta.“ So lautet seine Antwort auf die Frage, wie er als Kanzler reagierte, wenn ihm der Wind ins Gesicht geblasen hat. Die Kanzlerjahre seien ein Knochenjob gewesen, ständig fremdgesteuert von Terminen. Aber einem ausländischen Staatsgast könne man halt schlecht sagen: „Tut mir leid, ich würde jetzt lieber ein Eis essen.“

Manchmal versuchte er es zum Druckabbau mit Tennis. „Auf einem internationalen Gipfel in Kanada habe ich zum Beispiel gegen Tony Blair gespielt. Er reiste mit einer eigenen Trainerin an, hatte aber trotzdem keine Chance.“

Selbstkritisch sieht er heute seinen raschen Wechsel vom Kanzleramt zum deutsch-russischen Pipelineprojekt NordStream, der ihm den Spitznamen „Gas-Gerd“ einbrachte. „Über das Tempo des Wechsels lasse ich mit mir reden. Vielleicht wäre eine gewisse Karenzzeit besser gewesen.“ Kaum etwas hängt Schröder so nach wie seine Charakterisierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin als „lupenreinem Demokraten“. „Ich relativiere meine Haltung zu Putin nicht. Und ich nehme ihm ab, dass eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen seine Ziele sind.“

Es sei ein mühsamer Weg, die Folgen einer jahrzehntelangen totalitären Herrschaft zu überwinden – das Anti-Homosexuellen-Gesetz hält er aber für falsch.