Nach langem Koalitionsstreit hat die FDP ihre Forderung nach einem Volksentscheid aufgegeben. Studiengebühren in Bayern werden abgeschafft.

München. Die Studiengebühren in Bayern werden zum kommenden Wintersemester abgeschafft – und zwar im Landtag. Nach monatelangem Koalitionsstreit hat die FDP ihren Widerstand und ihre Forderung nach einem Volksentscheid aufgegeben. Den Hochschulen werden die wegbrechenden Einnahmen aber komplett aus dem Haushalt erstattet, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Sonnabend nach einem mehrstündigen Spitzentreffen in der Staatskanzlei berichteten. Außerdem gibt es 200 Millionen Euro zusätzlich für die frühkindliche und die beruflich Bildung. Damit werden beispielsweise die Gebühren im zweiten Kindergartenjahr gesenkt. Zugleich wird weiteres Geld in die Schuldentilgung gesteckt – 480 Millionen mehr als bisher geplant.

Eine Hürde gibt es aber noch: Der FDP-Parteitag am kommenden Wochenende muss den Kompromiss billigen. Leutheusser-Schnarrenberger gab sich aber zuversichtlich, dass die eigene Basis die Einigung mittragen wird. „Ich kann diesen Kompromiss sehr gut vertreten“, betonte sie. Die Opposition attackierte Schwarz-Gelb scharf.

Die CSU hatte im vergangenen Herbst eine 180-Grade-Wende vollzogen und seither vehement für die schnellstmögliche Abschaffung der Studiengebühren gekämpft. Diese sind eigentlich im Koalitionsvertrag mit der FDP festgeschrieben. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die Abstimmung im Landtag freigegeben wird. Damit kann die CSU im Parlament unabhängig von der FDP für die sofortige Abschaffung der Gebühren stimmen, ohne dass der Bruch der Koalition droht. Bislang hatte die FDP eine schnelle Abschaffung im Landtag abgelehnt – auch nach einem erfolgreichen Volksbegehren gegen die Gebühren, mit dem die Bayern im Landtagswahljahr einen Volksentscheid erzwungen hatten. Diesen will die CSU mit dem Landtagsbeschluss unbedingt vermeiden.

Die Voll-Kompensation der Studiengebühren und die zusätzlichen Mittel für die frühkindliche und die berufliche Bildung sollen in einem „Bildungsfinanzierungsgesetz“ festgeschrieben werden, das bereits im März im Kabinett beschlossen werden soll. 219 Millionen Euro werden im Doppelhaushalt 2013/14 insgesamt benötigt, um den Hochschulen die wegbrechenden Studiengebühren von Oktober an und im kommenden Jahr zu erstatten. 150 Millionen Euro gibt es für die frühkindliche Bildung. Damit sollen unter anderem die Gebühren im zweiten Kindergartenjahr ab September 2014 um 50 Euro gesenkt werden. Und es soll eine „Qualitätsoffensive“ in Vor- und Grundschule geben.

Für angehende Meister soll es von September 2013 an einen „Meisterbonus“ in Höhe von 1000 Euro pro Kursteilnehmer geben. Geplant ist zudem, dass angehende Altenpfleger, Kinderpfleger und Erzieher künftig nirgendwo mehr Schulgeld bezahlen müssen. Für beide Posten werden im Etat 2013/14 52 Millionen Euro bereitgestellt.

In die Schuldentilgung fließt in diesem Jahr eine Milliarde Euro - bislang geplant waren 520 Millionen Euro. Dieses Geld soll aus den Rücklagen des Freistaats entnommen werden. Die Kosten für das Bildungspaket von 421 Millionen Euro werden aus den zusätzlichen Steuereinnahmen finanziert. Unabhängig davon hat sich die Koalition verständigt, im Haushaltsvollzug 200 Millionen einzusparen. Das sei bei einem 95-Milliarden-Doppelhaushalt zu stemmen, sagte Seehofer und betonte: „Uns liegt die Solidität unseres Haushalts sehr am Herzen.“

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, unter all diesen Bedingungen könne die FDP auf die Forderung nach einem Volksentscheid verzichten. Der FDP komme es stattdessen nun darauf an, die Handlungsfähigkeit der Koalitionsregierung deutlich zu machen. Wie die FDP sich im Landtag bei der Studiengebühren-Abstimmung verhalten wird, ist indes noch unklar. Seehofer betonte, er sei mit dem Kompromiss zufrieden.

SPD-Spitzenkandidat Christian Ude dagegen sagte zu dem Kompromiss, einerseits beugten sich die Gebührenbefürworter endlich dem Willen der Bürger und blockierten die Abschaffung der Uni-Maut nicht länger. Andererseits zeige sich aber, „dass das Bündnis von CSU und FDP am Ende ist“. „Die FDP lässt sich ihre Standhaftigkeit mit Geldgeschenken abkaufen. Die CSU wiederum lässt sich vom kleinen Partner erpressen“, kritisierte er. „Das einzige, was diese Koalition noch zusammenhält, ist die Angst um ihre Pöstchen und Dienstwagen.“

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher kritisierte zudem, Schwarz-Gelb sei die Antwort schuldig geblieben, „was uns die Wahlgeschenke kosten“. Grünen-Chef Dieter Janecek lästerte auf Twitter: „Die FDP verrät sich selbst und entscheidet nebenbei noch, für was die inhaltslose CSU stehen darf.“ Der Generalsekretär der Freien Wähler, Michael Piazolo, betonte, das Volk habe die Regierung in die Knie und zur Umkehr in ihrer Hochschulpolitik gezwungen.

An dem Volksbegehren gegen die Studiengebühren, das die Freien Wähler initiiert hatten, hatten sich im Januar 14,3 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt – nötig waren 10 Prozent. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte das Volksbegehren im vergangenen Herbst gebilligt und damit die 180-Grad-Kehrtwende bei der CSU ausgelöst.