Durchbruch im Morgengrauen: Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten einigen sich auf Obergrenze von 960 Milliarden Euro.

Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben sich nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon über die Grundsätze für das EU-Budget der kommenden Jahre geeinigt. „Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass wir einen Rahmen für die Einigung haben“, sagte ein EU-Diplomat am Randes des Gipfels am Freitag in Brüssel. Die Vereinbarung könne im Lauf des Tages voraussichtlich abgeschlossen werden, allerdings seien noch Änderungen möglich. Der Kompromiss war Ergebnis stundenlanger harter Verhandlungen. Dabei standen vor allem Großbritannien, aber auch Deutschland und andere Nettozahlerländer den süd- und osteuropäischen Empfängerländern gegenüber. Die Geberländer forderten Abstriche an den ursprünglichen Plänen, die Nehmerländer verteidigten Agrarsubventionen und Fördermittel.

Die grundsätzliche Einigung sieht für den Finanzrahmen der Jahre 2014 bis 2020 eine Summe von 960 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen vor. Subventionen für Bauern und Strukturhilfen für die wirtschaftlich schwächeren Staaten bleiben nach dem Entwurf der Abschluss-Erklärung auch im neuen EU-Haushalt die größten Posten, allerdings mit abnehmender Tendenz. So sinken die Mittel für den Agrarsektor auf 373,5 Milliarden Euro oder knapp 39 Prozent des Gesamtetats im Vergleich zu 42 Prozent in der Finanzperiode 2007 bis 2013. Vor allem die Agrarländer Frankreich, Spanien und Italien sperrten sich gegen stärkere Kürzungen, die etwa Großbritannien forderte. Polen führte die osteuropäischen Länder an, die die Strukturfonds verteidigten. Die Mittel dafür machen mit knapp 325 Milliarden Euro oder 33 Prozent den zweitgrößten Etatposten aus. Da die schwächeren Regionen in Deutschland aufgeholt haben, werden sie künftig weniger Fördermittel bekommen. Dieser Umstand und das robuste Wachstum der deutschen Wirtschaft, an dem sich die Beitragszahlungen an die EU bemessen, wird zu steigenden Nettozahlungen Deutschlands führen. Die Bundesrepublik führte mit neun Milliarden Euro netto 2011 die Liste der Geberländer an.

Die Ausgaben für Zukunftsfelder wie Forschung, Bildung oder der Ausbau von Infrastruktur in Energie und Telekommunikation werden auf 125,7 Milliarden Euro hochgefahren – und damit nicht so stark wie die EU-Kommission mit 164 Milliarden Euro vorgeschlagen hatte. Angesichts der Krise in den südlichen Euro-Staaten sollen für Initiativen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit ein Fördertopf mit sechs Milliarden Euro eingerichtet werden.

Ob die EU in den kommenden sieben Jahren mit 960 Milliarden Euro mehr oder weniger als in der laufenden Finanzperiode ausgibt, kommt auf die Sichtweise an. Gegenüber der Summe zum Abschluss der Periode 2007 bis 2013 sind es gut drei Prozent weniger. Im Vergleich zu der 2005 vereinbarten Ausgangssumme von 865 Milliarden Euro ist es dagegen ein Anstieg um gut 100 Milliarden Euro.

EU-Parlament muss zustimmen

Der EU-Gipfel, der am Donnerstag begonnen hatte, war der zweite Anlauf der 27 Regierungen, eine Einigung zu finden. Die Beratungen verliefen äußerst zäh. Nach stundenlangen Vorgesprächen der Staats- und Regierungschefs im kleinen Kreis begann der Gipfel offiziell erst mit sechsstündiger Verspätung. Zunächst versuchten unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, der britische Premierminister David Cameron, Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Die Kluft zwischen den Nettozahler- und Nettoempfängerländern war groß. Vor allem Großbritannien bestand auf kräftigen Abstrichen von dem im November diskutierten Vorschlag. Die Kommission hatte ursprünglich 1045 Milliarden Euro vorgeschlagen, beim Gipfel im November hatte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy 972 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Strittig waren neben der Gesamthöhe auch die Verwendung des Geldes zwischen den verschiedenen Etatposten wie Landwirtschaft oder Forschung sowie eine faire Lastenverteilung unter den Nettozahlerländern. Die bisher gewährten Rabatte auf Beitragszahlungen für Großbritannien und andere Länder sollen bestehen bleiben.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, drohte den EU-Regierungschefs am Freitag ein Veto an. Die Pläne sähen nur 908 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen vor, sagte der er im ZDF. „Das findet keine Zustimmung des Europäischen Parlaments“, betonte Schulz. Wegen des geltenden EU-Vertrags von Lissabon kann der Mittelfristige Finanzrahmen erstmals nur mit der Zustimmung des EP in Kraft treten. Schulz betonte, der Beschluss der EU-Staaten sei erst der Anfang und nicht das Ende des Prozesses.