Drama zum Jahreswechsel. Erst stürzen die USA von der Fiskalklippe. Dann gibt es einen Kompromiss im Haushaltsstreit. Doch der ist brüchig.

Washington (dpa) – Neue Dramatik im US-Haushaltsstreit: Nach einem mühevollen Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern in der Silvesternacht war am Neujahrstag zunächst völlig offen, ob und wann die Vereinbarung in Kraft treten kann. Zwar billigte der Senat am Dienstagmorgen (Ortszeit) den Plan mit der ungewöhnlich großen Mehrheit von 89 zu acht Stimmen. Aber ein Votum im republikanisch beherrschten Abgeordnetenhaus war auch am Nachmittag nicht in Sicht. Fraktionschef Eric Cantor teilte dem Sender CNN zufolge mit, dass er die Vereinbarung in der vorliegenden Form nicht mittragen werde.

Die Vereinbarung, die unter anderem Steuererhöhungen für die Reichen vorsieht, war nach dramatischem Tauziehen buchstäblich in letzter Minute vom demokratischen Vizepräsidenten Joe Biden und dem republikanischen Senatsfraktionschef Mitch McConnell ausgehandelt worden. Sie kam kurz vor Anbruch des neuen Jahres zustande – und damit zu spät, um die USA vor einem zumindest kurzzeitigen Sturz von der sogenannten Fiskalklippe zu bewahren. Zum 1. Januar traten also planmäßig Steuererhöhungen für alle und massive Ausgabenkürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip querbeet durch den Haushalt in Kraft.

Experten hatten davor gewarnt, dass dieser Mix die gerade genesende US-Wirtschaft wieder abwürgen und die Arbeitslosigkeit erneut in die Höhe treiben könnte. Gibt das Abgeordnetenhaus aber in den nächsten Tagen noch grünes Licht für den Kompromiss, würden die automatischen Maßnahmen rechtzeitig genug hinfällig, um sich nicht bremsend auf die Konjunktur auszuwirken.

Um die Vorlage im Abgeordnetenhaus abzusegnen, müssten mehr als 20 Republikaner mit den Demokraten stimmen. Eine Reihe konservativer Abgeordneter äußerte nicht nur Bedenken dagegen, dass die Reichen als Beitrag zum Defizitabbau künftig stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Sie wandten sich auch dagegen, dass die – zunächst in Kraft getretenen Ausgabenkürzungen – laut Kompromiss um zwei Monate vertagt werden sollen. Damit beinhalte die Vereinbarung praktisch keine Einsparungen, bemängelten sie.

Die republikanische Fraktion kam am Nachmittag zunächst zu Beratungen hinter verschlossenen Türen zusammen. Der konservative Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, sagte laut CNN, man wolle sich die nötige Zeit nehmen, alle Optionen zu prüfen.

Eine Möglichkeit wäre demnach, dass über die Vorlage in der vom Senat verabschiedeten Form abgestimmt wird. Nicht auszuschließen sind aber auch Vorstöße, die darauf abzielen, diese Vorlage abzuändern. Kommt es dazu, müsste der modifizierte Entwurf nach dem Passieren des Abgeordnetenhauses dem Senat erneut zur Abstimmung zugeleitet werden. Verkompliziert wird die Lage noch dadurch, dass am 4. Januar das im November neu gewählte Abgeordnetenhaus seine Arbeit aufnimmt. Hat die derzeitige Kammer bis dahin keine Entscheidung getroffen, müsste die Arbeit im neuen Haus noch einmal von vorn aufgerollt werden.

Der Vereinbarung zufolge sollen Steuererleichterungen für die Mittelschicht verlängert werden, aber Reiche mit einem jährlichen Haushaltseinkommen von über 450 000 Dollar (341 000 Euro) mehr an den Fiskus zahlen. Zudem ist vorgesehen, mehr als zwei Millionen Arbeitslosen weiter Leistungen zu zahlen. Insgesamt hat der Kompromiss einen Umfang von 600 Milliarden Dollar (knapp 454 Mrd Euro), rechneten Experten vor. Der jetzt vereinbarte Plan schütze 98 Prozent der Amerikaner und 97 Prozent der kleineren Unternehmer vor Steuererhöhungen, sagte Obama nach der Abstimmung im Senat. Der Präsident rief das Abgeordnetenhaus auf, den Kompromiss nun ebenfalls rasch zu billigen. Eine Zustimmung noch am Neujahrstag würde sicherstellen, dass der Deal rechtzeitig vor Öffnung der Börsen am Mittwoch endgültig unter Dach und Fach ist.

Obama bedauerte nach dem Senatsvotum in der Silvesternacht, dass keine große Lösung zustande gekommen sei. Um das enorme Haushaltsdefizit des Landes zu reduzieren, sei noch viel zu tun, fügte er hinzu. Die jetzt erzielte Vereinbarung stelle aber sicher, dass dies durch eine „Kombination von Ausgabenreduzierungen und Einnahmensteigerungen“ geschehe. Die automatischen Kürzungen – unter anderem im milliardenschweren Verteidigungsetat – sollen ausgesetzt werden, um Zeit für ein durchdachtes Sparprogramm zu gewinnen. Die durch den Aufschub ausfallenden Einsparungen sollen zum Teil spätere zusätzliche Kürzungen nachgeholt werden.

Allerdings zeichnet sich bereits ein neues heftiges Tauziehen um den im Frühjahr fälligen Sparplan ab. Wie US-Finanzminister Timothy Geithner dem Kongress ins Stammbuch schrieb, haben die USA zum Jahresende ihre Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen Dollar erreicht. Damit beginnen laut Geithner nun Haushaltsumschichtungen, damit das Land zumindest zwei Monate lang zahlungsfähig bleibt. Dies bedeutet wiederum, dass der Kongress die Schuldengrenze spätestens Ende Februar oder Anfang März erhöhen muss – genau dann, wenn auch dem Kompromiss zufolge das erst einmal vertagte umfassende Sparprogramm zum Defizitabbau neu festgezurrt werden soll.

Republikaner wie Senator John McCain haben bereits klargemacht, dass sie die Erhöhung des Schuldenlimits als Gelegenheit nutzen wollen, ihre Sparvorstellungen durchzudrücken. McCain sprach am Montag sogar von einem bevorstehenden Showdown, der noch heftiger sein werde als der derzeitige Haushaltsstreit. # dpa-