Die rituelle Beschneidung bleibt erlaubt. Opposition trägt Gesetz zu Teilen mit. Gesetz schaffe endlich wieder Rechtssicherheit.

Berlin. Die rituelle Beschneidung von Jungen jüdischen und muslimischen Glaubens wird auch weiterhin straffrei sein. Ein entsprechendes Gesetz verabschiedete der Bundestag am Mittwoch mit großer Mehrheit. Der Zentralrat der Juden und der Jüdische Weltkongress zeigten sich erleichtert. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kritisierte den Beschluss dagegen als „Rückschritt in der Geschichte der Kinder- und Menschenrechte in Deutschland“.

Mit dem Gesetz wird klargestellt, dass Eltern das Recht haben, ihre Söhne unter Einhaltung bestimmter Standards an der Vorhaut beschneiden zu lassen. Eine entsprechende Regelung soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geschaffen werden. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil, wonach die rituelle Beschneidung als Körperverletzung zu werten ist. Das hatte in der jüdischen und islamischen Welt für heftige Empörung gesorgt.

434 der Abgeordneten stimmten in namentlicher Abstimmung für den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf, 100 stimmten dagegen, 46 enthielten sich. Einen Entwurf von 66 Abgeordneten von SPD, Linke und Grünen lehnte das Plenum dagegen ab. Dieser sah vor, die Beschneidung erst ab dem 15. Geburtstag und mit Einwilligung des Jungen zu erlauben.

Seit Jahrtausenden elementares Merkmal jüdischer Identität

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, mit dem Beschluss bleibe künftig das erlaubt, was bis zum Mai dieses Jahres völlig unstrittig möglich gewesen sei. „Im Normalfall einer fachgerechten Beschneidung hat der Staat kein Recht, in diese Entscheidung der Eltern korrigierend einzugreifen“, betonte sie. Es gebe kein Land auf der Welt, das die religiöse Beschneidung von Jungen generell unter Strafe stellt.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte, das Gesetz schaffe endlich wieder Rechtssicherheit und beende hoffentlich die häufig unselige Debatte, die das Jahr 2012 geprägt habe. Das jüdische Gebot der Beschneidung sei „seit Jahrtausenden integraler Bestandteil des Judentums und elementares Merkmal der jüdischen Identität“. Ein Verbot hätte „jüdisches Leben in Deutschland tatsächlich am Ende unmöglich gemacht“.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, fügte hinzu, die deutschen Entscheidungsträger hätten offenbar verstanden, dass es sich bei der Beschneidung um eines der ältesten und heiligsten Rituale handele. Jetzt sei es an der Zeit, die durch die kontroverse Debatte entstandenen Wunden zu heilen.

Enttäuscht zeigte sich dagegen der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. „Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat heute das Recht jüdischer und muslimischer Jungen auf körperliche Unversehrtheit ausgehebelt“, sagte der Präsident des Verbands, Wolfram Hartmann. Er appellierte „an alle Ärztinnen und Ärzte, sich nicht aktiv an medizinisch unnötigen Beschneidungen zu beteiligen“.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Bundesregierung einen Mangel an Diskussionsbereitschaft über das vor. Die Regierung habe keinen Wert auf eine „erreichbare gemeinsame Lösung gelegt“, sagte Steinmeier im Bundestag. Dennoch müsse er einräumen, dass mit dem Gesetz nun endlich Rechtssicherheit für Juden und Muslime hergestellt werde.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, Beschneidung solle nicht kriminalisiert werden. Eltern müssten selbst verantwortungsvoll darüber entscheiden können. Zugleich wünsche sie sich in dieser Frage aber auch eine Erneuerung der Religion von innen.

Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, sieht mit dem neuen Gesetz sowohl die Religionsfreiheit als auch das Wohl der Kinder ausreichend gewahrt. Das Gesetz berücksichtige, dass zur elterlichen Sorge eben auch gehöre, ein Kind in das religiöse Leben seiner Familie hinein zu nehmen, sagte Anke. Auf der anderen Seite habe der Bundestags die notwendigen Grenzen zum Schutz der Kinder gezogen.