Wie viele Neinsager wird es im Bundestag geben? Der Euro-Rettungsfonds spaltet die Koalition. Abweichler Bosbach beklagt immensen Druck.

Berlin. Was tun die Neinsager? Stimmen sie alle gegen den Euro-Rettungsfonds EFSF? Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Kanzlermehrheit, also die absolute Mehrheit der Stimmen im Bundestag mit ihrer eigenen Koalition? Oder ist Merkel auf die Stimmen von SPD und Grünen angewiesen? Es ist ein Geduldsspiel, das die 620 Abgeordneten von 11 Uhr an in namentlicher Abstimmung aufführen. Um 13 Uhr sollte spätestens das Ergebnis feststehen. Theoretisch könnte sogar die schwarz-gelbe Koalition und damit die Regierung platzen und Neuwahlen bevorstehen. Denn es gibt offenbar mindestens 15 Abweichler, elf bei der Union und vier bei der FDP. Doch bis zu 19 Nein-Stimmen aus den eigenen Reihen kann sich Merkel auf dem Papier leisten.

Vor der an anstehenden Bundestagsabstimmung über erweiterte Euro-Hilfen haben Gegner und Befürworter noch einmal für ihre Positionen geworben. Die Befürworter warnen vor einer Gefährdung des Euros und damit der europäischen Einigung, wenn der Rettungsfonds EFSF nicht gestärkt wird – die Gegner befürchten einen weiteren Schritt hin zu einer Schuldenunion, die selbst das wirtschaftsstarke Deutschland überfordern würde.

CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte sein aktuelles Ja bei gleichzeitiger Ablehnung weitergehender Maßnahmen. Die CSU stehe zur jetzigen Reform, lehne aber neuerliche Erweiterungen des Schutzschirms ab. „Wenn eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands droht, ist Schluss“, erklärte der bayerische Ministerpräsident in der „Süddeutschen Zeitung“. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warb in der „Bild“-Zeitung um Zustimmung, geht aber nicht davon aus, dass das Rettungspaket ausreicht: „Wer heute verspricht „Das war's“, der ist nicht ehrlich. (...) Frau Merkel und Herr Schäuble beschummeln die eigenen Leute, wenn sie das Gegenteil behaupten.“

Der CDU-Haushaltsexperte Klaus-Peter Willsch plädierte in den „Ruhr Nachrichten“ für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Der prominenteste Gegner, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, beklagte starken Druck auf ihn. Natürlich drohe niemand mit einem Ende der politischen Karriere. „Das läuft schon subtiler ab“, sagte Bosbach, der bislang als Gefolgsmann von Kanzlerin Angela Merkel galt, der „Passauer Neuen Presse“. Er habe erwartet, wegen des Neins Ärger zu bekommen, aber nicht so großen.

Der EFSF-Rettungsfonds soll neue Instrumente und zusätzliche Gelder zur Stützung von Euro-Krisenländern erhalten. Abgestimmt wird auch über mehr Beteiligungsrechte des Parlaments bei den Euro-Hilfen. Eine stärkere Mitsprache des Bundestages hatte kürzlich auch das Bundesverfassungsgericht verlangt. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), sprach sich derweil für einen EU-Haushaltskommissar „mit umfassenden Durchgriffsrechten“ aus. Die Nationalstaaten würden dann zwar weiter ihre Etats aufstellen, erläuterte er in der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). „Aber es sollte eine Instanz geben, die bei Fehlentwicklungen europaweit gegensteuern kann.“

Vor allem die Hamburger FDP-Abgeordneten hatten in den vergangenen Wochen ihre Zweifel an dem deutschen Bürgschaftsrahmen geäußert, der von 123 Milliarden auf künftig rund 211 Milliarden Euro steigen soll. Für Sylvia Canel bleibt es auch heute dabei: "Ich werde nicht zustimmen", sagte sie dem Abendblatt. "Ich stelle mir einen anderen Weg für Europa vor - ein Europa, das nicht auf Schulden aufgebaut ist." Sie wies zugleich darauf hin, dass die FDP-Fraktion in großer Geschlossenheit dastehe.

Auch Burkhardt Müller-Sönksen, der für die Hamburger Liberalen seit 2005 im Bundestag sitzt, hatte sich lange offengehalten, ob er den Regierungsplänen folgen will. Der Besuch von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der FDP-Fraktion am Dienstag brachte die Entscheidung. Die Argumente des Finanzministers hätten ihn umgestimmt, sagte Müller-Sönksen dem Abendblatt. Seine Begründung: "Ich stimme der Ertüchtigung des EFSF zu, weil wir damit Werkzeuge in die Hand bekommen, um die Staatsschuldenkrise in Europa mit möglichst geringem Schaden für den deutschen Steuerzahler in den Griff zu bekommen."

Das bedeute durch das Höchstmaß der Mitwirkungsrechte des Parlaments nicht automatisch, dass Griechenland ohne erhebliche Fortschritte weiter Geld bekommen müsse, stellte Müller-Sönksen klar. Tatsächlich wird der Bundestag gestärkt, er erhält nun Mitbestimmungsrechte in allen Entscheidungen über Euro-Hilfsaktionen. Bisher musste sich die Bundesregierung nur um "Einvernehmen" mit dem Haushaltsausschuss des Parlaments "bemühen".