Der Jüngste war erst elf. Trotz der relativ ruhigen Nacht gerät Premier David Cameron immer weiter unter Druck. Jetzt tagt das Krisenkabinett.

London. Sie plünderten Kaufhäuser, raubten ohne Gegenwehr Geschäfte aus, nahmen Flachbildschirm-Fernseher und hochwertige Sportschuhe mit, die sie seelenruhig anprobierten. In Birmingham bedrohten Randalierer im Schutze der Anarchie im Vereinigten Königreich einen ausländischen Studenten, raubten ihm Wertsachen. Im Londoner Vorort Romford hat ein Elfjähriger gestanden, bei einer Plünderung einen Mülleimer im Wert von 50 Pfund (etwa 56 Euro) gestohlen zu haben. Er war der jüngste Angeklagte nach den Krawall-Nächten in England.

Die Polizei greift durch, die Gerichte haben 24-Stunden-Dienste eingerichtet. Die ersten Randalierer sind zu Haftstrafen verurteilt worden. Zwei Männer, die an Ausschreitungen in Manchester beteiligt waren, müssen für 10 beziehungsweise 16 Wochen hinter Gitter, wie die Polizei nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur PA mitteilte. Viele weitere Beteiligte würden folgen, hieß es. Scotland Yard erklärte, allein in London seien seit Beginn der Ausschreitungen am Wochenende 805 mutmaßliche Beteiligte festgenommen worden. 251 von ihnen seien wegen diverser Straftaten angeklagt.

Zwar ist es in der Nacht zu Donnerstag verhältnismäßig ruhig geblieben. Doch Premierminister David Cameron gerät zusehends unter Druck. Er besuchte Birmingham und sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus. Erneut kündigte er eine harte Hand der Polizei an. „Die meisten Leute, die wir sehen, sind keine Demonstranten. Es sind Plünderer, Diebe und Räuber – sie begehen Straftaten“, sagte er. „Sie müssen festgenommen, verurteilt und eingesperrt werden.“

Die Krawalle waren am Sonnabend im nördlichen Londoner Stadtteil Tottenham ausgebrochen und hatten sich in den vergangenen Tagen immer weiter ausgebreitet. Auslöser war der Tod eines 29 Jahre alten dunkelhäutigen Familienvaters, der von der Polizei erschossen worden war. Ballistische Untersuchungen ergaben, dass er selbst nicht auf die Polizisten gefeuert hatte. Das hatte Scotland Yard behauptet.

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Cameron muss sich an diesem Donnerstag einer Sondersitzung des Parlaments stellen. Das Krisenkabinett wurde einberufen. Politiker der Opposition und auch des Regierungslagers forderten, bereits beschlossene Sparmaßnahmen bei der Polizei zurückzunehmen. Die Kürzung der Ausgaben für den Polizeiapparat um 20 Prozent und der damit einhergehende Stellenabbau seien weniger als ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen in der britischen Hauptstadt unrealistisch, sagte Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson. Angesichts der gewalttätigen Ausschreitungen Hunderter Jugendlicher und der Zerstörungen durch Brandsätze in London und anderen Großstädten seien nun auch Regierungsmitglieder der Meinung, dass die Zahl der Polizisten nicht verringert werden dürfe, berichtete der „Guardian“. (dpa/dapd/abendblatt.de)