Die in Nordrhein-Westfalen festgenommenen drei mutmaßlichen al-Qaida-Mitglieder planten offenbar Anschläge auf Busse in Deutschland.

Karlsruhe. Die drei festgenommenen mutmaßlichen Terroristen planten offenbar Anschläge auf Busse oder Bushaltestellen. Dies sagte der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, am Sonnabend auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Demnach hätten die mutmaßlichen al-Qaida-Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen davon gesprochen, ohne sich jedoch auf ein konkretes Ziel festzulegen. Der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum teilte mit, dass die Beschuldigten, die Wurzeln in Marokko und dem Iran haben, mit einer mit Metallteilen gefüllten Bombe möglichst viele Menschen töten wollen. Als die drei mit der Gewinnung von Sprengstoff für einen Zünder begannen, habe die Polizei zugeschlagen. Doch Ziercke gab keine Entwarnung, da die Gruppe im Auftrag der Al-Qaida in Afghanistan gehandelt habe, die Anschläge in Deutschland begehen wolle.

Gegen den Marokkaner Abdeladim al-K., der mutmaßliche Rädelsführer, wurde bereits Haftbefehl erlassen. Der 29-Jährige soll vor einem Jahr in einem Terror-Camp im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan eine Ausbildung im Umgang mit Waffen und Sprengstoff erhalten haben. Die beiden weiteren Beschuldigten, der 31-jährige Deutsch-Marokkaner Jamil S. sowie der 19-jährige Deutsch-Iraner Amid C., wurden am Nachmittag noch vom Ermittlungsrichter verhört, der über den Erlass von Haftbefehlen entscheidet. Ob bei den Durchsuchungen in Düsseldorf, Bochum und Essen Sprengstoff gefunden wurde, war noch nicht bekannt. Die drei Männer waren am Freitag in Bochum und Düsseldorf von Elitepolizisten der GSG 9 und Beamten des Bundeskriminalamtes festgenommen worden.

Abdeladim al-K. hat ein Elektrotechnikstudium abgebrochen und zählt nach Erkenntnissen der Ermittler zu einer Gruppe von Islamisten, die al-Qaida spätestens seit Anfang 2010 für Anschläge in Europa ausbildete. Er habe weder Arbeit noch Hobbys oder private Kontakte gehabt. Nach der Ausbildung im Terror-Camp soll er im Frühjahr 2010 von einem hochrangigen al-Qaida-Mitglied den Auftrag erhalten haben, in Deutschland einen Bombenanschlag zu verüben.

Im Mai 2010 sei Abdeladim al-K. nach Deutschland zurückgekehrt, um das Attentat vorzubereiten. Dort habe er die beiden anderen Beschuldigten eingebunden: Jamil S. sollte für Geld und falsche Papiere sorgen, während Amid C. sich um verschlüsselte Kommunikation kümmerte. Jamil S. sei für Zeitarbeitsfirmen als Elektriker tätig gewesen, Amid C. habe kurz vor dem Abitur gestanden.

Bereits im Dezember 2010 hätten die drei mit den Vorbereitungen für den Anschlag begonnen, sagte Griesbaum. Sie hätten sich im Internet Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff und Zündern sowie Informationen über verschlüsselte Kommunikationswege besorgt. Außerdem hätten sie die Sicherheitsvorkehrungen an öffentlichen Gebäuden, Flughäfen und Bahnhöfen ausgespäht und nach Wegen gesucht, Chemikalien zur Sprengstoffherstellung wie Wasserstoffperoxid oder Aceton zu besorgen.

Zuletzt hätten al-K. und Jamil S. in einer Wohnung in Düsseldorf erfolglos versucht, einen Zünder für eine Bombe herzustellen. Auch wegen des Attentats in Marrakesch, das die Beschuldigten freudig begrüßt hätten, hätten die Ermittler sich dann zur Festnahme entschlossen. "Wir waren zu diesem Zeitpunkt einvernehmlich der Meinung, wir sollten jetzt zugreifen, bevor da etwas aus dem Ruder laufen könnte“, sagte Ziercke.

Es hätten jedoch nicht alle Mitglieder der Gruppe festgenommen werden können. Eine viertes mutmaßliches Mitglied sei noch nicht identifiziert, sagte Ziercke. Er schätzt die Größe der Zelle auf mindestens acht Personen. Insgesamt seien sechs Objekte durchsucht worden, dazu gehörten auch die Wohnungen von drei Kontaktpersonen.

Für die Sicherheitslage in Deutschland gab Ziercke keine Entwarnung. Der mutmaßliche Auftraggeber al-K.'s plane seit spätestens Anfang 2010 mehrere Attentate in Deutschland, sagte er. Zu diesem Zweck soll er mehrere Islamisten rekrutiert, in einem Ausbildungslager in Waziristan ausgebildet und mit der Begehung von zwei Anschlägen in Deutschland beauftragt haben. Einige dieser mutmaßlichen Attentäter sollen sich wieder in Deutschland aufhalten. Eine Entwarnung für die Sicherheitslage in Deutschland könne er daher nicht geben, sagte Ziercke.

Auch nach der Festnahme dreier mutmaßlicher al-Qaida-Mitglieder gibt es ausdrücklich keine Entwarnung. Man habe sich in einer "Dilemmasituation“ befunden, sagt der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. Einerseits war das Netzwerk um die drei Terrorverdächtigen "noch nicht zu 100 Prozent aufgeklärt“. Andererseits waren die drei offenbar so schon weit in ihren Anschlagsvorbereitungen und Blutbad-Fantasien fortgeschritten, dass die Ermittler von einem erhöhtem Risiko für "weiche Ziele“ ausgehen mussten – also für Menschen.

Mit einer Splitterbombe wollten die Männer aus Nordrhein-Westfalen nach dem Stand der Ermittlungen möglichst viele Menschen töten oder verletzen. Veranstaltungen im Großraum Düsseldorf hätten ein Ziel sein können, vielleicht auch ein Bus oder eine Bushaltestelle. Zuletzt bastelten sie an einem Zündmechanismus. "Bombe ist nicht so schwer, aber Zünder ist mehr Gefahr“, haben sie den Abhörprotokollen zufolge gesagt, aus denen Ziercke am Freitag in Karlsruhe vorlas. "Gibt's einen Feuerkopf und dann ist die große Kraft.“

Zusätzlich aufgeputscht wurden die drei Religionskrieger durch die Nachricht aus Marrakesch, wo am Donnerstag bei einem Terroranschlag in einem Café mindestens 14 Menschen getötet wurden. "Marrakesch hätte stimulierendes Ereignis sein können“, sagte Ziercke. Auch deshalb entschlossen sich die Fahnder zu einer schnellen Festnahme – zu dem Preis, dass zum einen die Ermittlungen gegen weitere Verdächtige noch nicht abgeschlossen sind, zum anderen die Ermittler offenbar noch nicht sehr viele gerichtsfeste Beweise gegen die drei Festgenommenen in den Händen halten. "Die Beweismittelerlangung für die Strafverfolgung kann erschwert werden“, so Ziercke.

Die Ermittlungen gegen die Männer standen im Zusammenhang mit verschiedenen Hinweisen, die im Herbst vergangenen Jahres zu einer "Terrorwarnung“ des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière führten. Dabei arbeiteten die Ermittler unter anderem mit amerikanischen und marokkanischen Geheimdiensten und Sicherheitskräften zusammen.

Die Festnahme könnte dazu führen, so Ziercke, dass "die Aufklärung des Netzwerks erschwert sein könnte“. Eine Person, die wohl an den Vorbereitungen beteiligt war, habe noch nicht identifiziert werden können. Insgesamt geht Ziercke von sieben bis acht Beteiligten aus. „Aber es können auch mehr sein.“ Er könne noch keine Entwarnung geben, sagte Ziercke. "Wir müssen in Deutschland weiterhin mit Anschlägen islamistischer Terroristen rechnen.“

Ziercke verwies auf Schätzungen, wonach sich in Deutschland etwa 1200 Personen "aus dem gesamten Spektrum des islamischen Terrorismus“ aufhielten. Etwa 130 davon seien als sogenannte "Gefährder“ eingestuft – Leute, die bereit sind, sich auch selbst in Anschlagspläne einbinden zu lassen. Das BKA wisse von 80 Islamisten, die zur Ausbildung in Terrorcamps waren. "An der Zahl sehen Sie, dass wir es wirklich mit einem Problem zu tun haben.“

(abendblatt.de/rtr/dpa)