Wie lässt sich die Kriegsmaschinerie des Diktators stoppen? Im heftig umkämpften Misrata wurden bereits 1000 Menschen getötet.

Tripolis/Bengasi/Hamburg. In der schwer umkämpften libyschen Stadt Misrata sitzen immer noch rund 3500 Gastarbeiter meist aus afrikanischen Ländern fest. Dies erklärte ein Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Bengasi, der Metropole der Regimegegner im Osten Libyens. Die gestrandeten Gastarbeiter warteten im Hafen von Misurata verzweifelt auf eine Möglichkeit, per Schiff nach Bengasi zu kommen, fügte er hinzu. Die Truppen von Diktator Muammar al-Gaddafi setzten den Raketenbeschuss von Misurata unvermindert fort. Bei den Kämpfen um Misrata sind nach Angaben von Ärzten in den vergangenen sechs Wochen etwa 1000 Menschen getötet worden. Zudem habe es etwa 3000 Verletzte gegeben, erklärte das Krankenhaus in der Stadt.

Der Verwalter des Krankenhauses in Misrata, Chaled Abu Falgha, sagte vor Journalisten, bei 80 Prozent der Getöteten handele es sich um Zivilisten. Die 60 Betten der Klinik seien derzeit alle mit Verletzten belegt. Seit vergangener Woche seien bei den Patienten besonders schwerwiegende Verletzungen festgestellt worden, die von dem Einsatz von Streubomben herrührten, sagte Falgha. Nach Angaben der Ärzte mussten zahlreichen durch Streubomben verletzten Menschen Gliedmaßen amputiert werden, um sie zu retten. Streumunition ist international geächtet. Ihre Behälter öffnen sich in der Luft und setzen viele kleine Bomben, sogenannte Bomblets, über große Flächen frei. Die Gebiete bleiben wegen der großen Zahl von Blindgängern auch nach dem Ende eines Konflikts verseucht.

Die libyschen Rebellen sowie Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch werfen den Regierungstruppen vor, die heimtückischen Waffen seit vergangenem Donnerstag einzusetzen. Zudem versetzen Heckenschützen die Bevölkerung in Misrata zunehmend in Angst und Schrecken. Nach Angaben des Arztes Abdul Kather Muktar erlitt etwa ein zehnjähriger Junge einen glatten Kopfdurchschuss durch einen Scharfschützen. Es sei unklar, ob Mohammed jemals wieder zu Bewusstsein komme.

Die libysche Führung hingegen bestritt, die Bevölkerung anzugreifen. „Wir haben keine Verbrechen gegen unser Volk begangen“, sagte Gaddafis Sohn Seif der „Washington Post“. „Das ist nicht passiert. Das wird nie passieren.“ Sobald die „Terroristen“ in Misrata und der Rebellenhochburg Bengasi besiegt seien, werde die Macht seines Vaters in einer neuen Verfassung beschränkt, fügte Seif hinzu. Ein Sprecher Gaddafis sagte am Sonntagabend, die Beteiligung des Terrornetzwerks al-Qaida an der Revolte sei „bewiesen“.

Unterdessen bleibt eine „Invasion oder Besetzung“ Libyens nach den Worten des britischen Premierministers David Cameron weiterhin ausgeschlossen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy stellt sich hinter den harten Libyen-Kurs der USA, Frankreichs und Großbritanniens. Angeblich suchen die USA und ihre Alliierten ein Exil für den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi, der sich an die Macht klammert. Cameron sagte dem britischen Sender Sky News: „Wir sind uns im Klaren darüber, das wir zu den Bedingungen der Resolution des Uno-Sicherheitsrates stehen müssen, wir müssen die Unterstützung der arabischen Welt behalten.“ Er räumte allerdings ein, dass die Bedingung, keine Bodentruppen einzusetzen, den Einsatz erschwere.

Die Nato-Luftangriffe auf Ziele des Regimes hätten geholfen, Massaker zu verhindern. Die Opposition habe um ein stärkeres Eingreifen gebeten. Die Alliierten müssten nun überprüfen, wie Zivilisten noch besser geschützt und Gaddafis „Kriegsmaschine“ gestoppt werden könnten, sagte Cameron. (abendblatt.de/dapd/rtr/dpa/AFP)