Und sagte kein Wort: Auch Ex-Terrorist Haag verweigerte die Aussage im Becker-Prozess. Ihm droht Beugehaft. Er verriet aber doch etwas.

Stuttgart. Das Schweige-Kartell hält auch nach über 30 Jahren. Im Prozess gegen Verena Becker wegen des Buback-Attentats hat auch das frühere RAF-Führungsmitglied Siegfried Haag als Zeuge die Aussage zu dem Mordanschlag von 1977 verweigert. „Ich habe mich mit meinem Anwalt beraten und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mich durch Angaben zu diesem Themenkomplex sehr leicht selber belasten könnte“, sagte der 66-jährige gelernte Jurist vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Hermann Wieland gesagt: „Dass Sie für uns ein wichtiger Zeuge wären, dürfte Ihnen klar sein.“ Haag war nach der Verhaftung des RAF-Terroristen Andreas Baader im Jahr 1972 dessen Rechtsanwalt, radikalisierte sich dann aber selbst immer mehr. Nach Angaben des RAF-Aussteigers Peter-Jürgen Boock hatte Haag im Sommer und Herbst 1976 sogar die „Planungshoheit“ in der Gruppe, die das Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback plante, das schließlich am 7. April 1977 ausgeführt wurde.

Haag soll bei einem Vorbereitungstreffen 1976 in Aden im Jemen der Führer der Gruppe und der maßgebliche Organisator gewesen sein. Haag wurde jedoch am 30. November 1976 verhaftet. In der Zeit danach rückte Brigitte Mohnhaupt an seine Stelle und übernahm die Führung der RAF. Haag war unter anderem wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und als „Rädelsführer“ zu 15 Jahren Haft verurteilt worden und saß bis 1987 in Haft. Er wurde 1976 zusammen mit dem RAF-Mann Roland Mayer verhaftet. Bei ihnen wurden Unterlagen zu Anschlagsplänen sichergestellt, die aber letztlich erst im Nachhinein entschlüsselt wurden und als „Haag/Mayer-Papiere“ bezeichnet werden.

Auch der 56-jährige Mayer, der nach eigenen Angaben heute als Büroangestellter arbeitet, verweigerte die Aussage. Unklar ist aber, ob ihm überhaupt ein Aussageverweigerungsrecht zusteht. Das OLG wollte deshalb am Nachmittag entscheiden, ob Mayer in Beugehaft genommen werden muss. Auch im Fall von Haag wird dies geprüft. Haag berichtete, dass sich kürzlich die früheren RAF-Terroristen Rolf Heißler und Sieglinde Hofmann bei ihm gemeldet hätten. Daraufhin habe er sich mit Heißler in einem Café in Heidelberg getroffen und mit Hofmann bei sich zu Hause. In den Gesprächen sei es darum gegangen, „wie hier die Vernehmung läuft“.

Heißler und Hofmann – die beide die Aussage als Zeugen verweigert hatten – „wollten wissen, wie ich mich verhalten werde“, sagte Haag. Heißler habe ihm gesagt, dass man „sehr penibel und nachhaltig gefragt“ werde und „ruhig Blut haben“ müsse, weil man auch mit subjektiven Fragen gelöchert werde und Zeugen in die Mangel genommen würden. „Die fragen alles“, habe Heißler gesagt.

Haag sagte zu seiner Person, er sei heute Rentner. Er habe nach seiner Haftentlassung eine Arbeit bei seinem Bruder, der auch Jurist sei, im Bereich Wohnungseigentumsrecht aufgenommen. Haag sagte, er selbst habe sich dabei „nicht in der Öffentlichkeit bewegt und gearbeitet, bis ich 66 Jahre war“.

Verena Becker habe er „heute zum ersten Mal wieder gesehen“. Auch zu anderen RAF-Leuten habe er seit Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr. „Die Gruppe, die sich RAF nannte, hat sich inzwischen selbst aufgelöst“, betonte Haag, der sich bereits in einem früheren Zeitungsinterview von seiner Vergangenheit distanziert hatte. Die Bundesanwaltschaft wirft der 58-jährigen Becker vor, maßgeblich an der Entscheidung für den Mordanschlag auf Buback und an der Planung des Attentats mitgewirkt zu haben. Becker schweigt zum Tatvorwurf. (dapd/abendblatt.de)