Der Chef der Treuhand wurde vor 20 Jahren ermordet. Detlev Karsten Rohwedder wurde von Terroristen durchs Fenster erschossen.

Berlin. Die Bundesregierung und frühere Spitzen der Treuhandanstalt haben am Freitag in Berlin den vor 20 Jahren von Terroristen ermordeten Treuhand-Präsidenten Detlev Karsten Rohwedder geehrt. Er war am 1. April 1991 im Arbeitszimmer seines Wohnhauses in Düsseldorf erschossen worden. Die Täter schossen durch die Scheiben. Zu dem Mord an einem Ostermontag hatte sich die terroristische „Rote Armee Fraktion“ (RAF) bekannt. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt. Rohwedder stand vom Sommer 1990 bis zu seinem Tod an der Spitze der Treuhandanstalt, die für den kompletten Umbau der ostdeutschen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft zuständig war. Die frühere Zentrale der Treuhand und der heutige Sitz des Bundesfinanzministeriums tragen inzwischen den Namen Rohwedders.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) würdigte im Beisein der Witwe Hergard Rohwedder, der Kinder sowie von Ex-Treuhandspitzen das Lebenswerk des einstigen Top-Managers und Politikers. „Mit Detlev Rohwedder starb ein großer Patriot und ein großes Vorbild.“ Durch die Ermordung habe Deutschland nicht nur eine exzellente Führungskraft verloren, sondern auch einen Menschen, der seine Wurzeln nie vergessen habe. Der Publizist Richard Schröder sprach von einem politischen Mord, der auch unter schärfsten Kritikern der Treuhand für Entsetzen gesorgt habe. Die Rechnung der Terroristen sei nicht aufgegangen.

Das Bundesfinanzministerium will junge Finanzwissenschaftler fördern, die sich mit Fragen von politischer und gesamtgesellschaftlicher Tragweite befassen. Zu diesem Zweck wird erstmals das Detlev-Rohwedder-Stipendium vergeben. Im Auftrag des Ministeriums vergibt die Studienstiftung des deutschen Volkes jedes Jahr eine Promotionsförderung mit einer Laufzeit bis zu drei Jahren.

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Unaufgeklärte RAF-Verbrechen

Rohwedder stand mit dem Rücken zum Fenster im ersten Stock seines Hauses, als ihn gegen 23.30 Uhr der tödliche Schuss traf. Aus mehr als 60 Meter Entfernung hat der Schütze aus einem gegenüberliegenden Schrebergartengelände auf den 58-Jährigen gefeuert. Ein weiterer Schuss traf Rohwedders Ehefrau Hergard in den Ellenbogen, ein drittes Projektil schlug in ein Bücherregal ein. Das Attentat gilt als letzter Mordanschlag der RAF vor deren Selbstauflösung 1998 gilt. Es gab viele Kritiker von Rohwedder, der vor seinem Engagement für die Treuhand den Hoesch-Konzern saniert hatte und in den 70er-Jahren Wirtschaftsstaatssekretär in Bonn gewesen war. Schnell verbreiteten sich Gerüchte, in Wahrheit steckten alte Stasi-Seilschaften hinter dem Attentat auf den Treuhand-Chef.

Ähnliche Verschwörungsszenarien wurden auch nach dem RAF-Mord an Alfred Herrhausen vom November 1989 gehandelt: Mit dem ebenfalls unaufgeklärten Attentat auf den Deutsche-Bank-Chef wurden westliche Geheimdienste in Verbindung gebracht. Die vielen unbeantworteten Fragen im Rohwedder-Mord ändern freilich nichts an den mindestens ebenso vielen Spuren, die zur RAF führen. Da ist zunächst die Spurenlage am Tatort: Die Schüsse auf Rohwedders Haus wurden offenbar in dem Schrebergartengelände von einem Gartenstuhl aus abgegeben, neben dem die Ermittler ein Bekennerschreiben eines RAF-Kommandos „Ulrich Wessel“ fanden. Das RAF-Emblem auf dem Schreiben – der fünfzackige Stern mit Schnellfeuergewehr – gilt als authentisch. Im Gebüsch neben dem Stuhl lag außerdem ein Frotteehandtuch, an dem sich menschliche Haare befanden. Zehn Jahre nach dem Rohwedder-Mord ergaben im Frühjahr 2001 damals neuartige Untersuchungsmethoden, dass eine Haarspur zweifelsfrei vom RAF-Terroristen Wolfgang Grams stammte.

Als diese Untersuchungsergebnisse veröffentlicht wurden, lebte Grams schon seit knapp acht Jahren nicht mehr – er war am 27. Juni 1993 nach einem Feuergefecht mit GSG-9-Beamten in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) gestorben. Die Haarspur von Grams am Tatort in Düsseldorf-Oberkassel beweist freilich nicht eindeutig seine Täterschaft im Fall Rohwedder. Doch es gibt weitere Indizien für eine RAF-Tat: Da sind zunächst die Patronenhülsen vom Rohwedder-Mord. Sie wurden kriminaltechnischen Untersuchungen zufolge aus derselben Waffe abgefeuert, die im Februar 1991 – sechs Wochen vor dem Rohwedder-Attentat – bei einem Schusswaffenanschlag der RAF auf die US-Botschaft in Bonn-Bad Godesberg zum Einsatz kam. (dpa/AFP)