In Auschwitz ruft der Bundespräsident dazu auf, die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen wachzuhalten. In Berlin gedenkt der Bundestag.

Berlin/Auschwitz. Bundespräsident Christian Wulff hat den Holocaust-Überlebenden und den Nachkommen der Opfer für ihren Versöhnungswillen gedankt. Für die Deutschen sei diese Bereitschaft ein großes Glück, sagte er im polnischen Auschwitz-Birkenau bei der Gedenkveranstaltung zur Befreiung des größten Konzentrationslagers vor 66 Jahren . Die Deutschen wüssten es zu schätzen, dass in ihrem Land wieder jüdisches Leben blühe, die Beziehungen zu Israel einzigartig seien und es eine tiefe Freundschaft zu Polen und anderen Nachbarn gebe.

Bei einer Gedenkstunde im Bundestag wurde besonders an die Verfolgung von Sinti und Roma erinnert. Erstmals sprach einer ihrer Vertreter vor den Abgeordneten. Nach der bewegenden Rede erhoben sich alle Parlamentarier von ihren Plätzen. Wulff, der in Auschwitz von Holocaust-Überlebenden begleitet wurde, rief zum Erhalt der Erinnerungsstätten auf. Je weniger Zeitzeugen noch persönlich berichten könnten, um so wichtiger seien schriftliche, fotografische und filmische Zeugnisse und der Erhalt solcher Stätten.

Für Auschwitz-Birkenau, dem ehemals größten Konzentrationslager der Nationalsozialisten, sollen insgesamt 120 Millionen Euro bereitgestellt werden. 60 Millionen teilen sich Bund und Länder je zur Hälfte. Für den Rest wollen andere Staaten wie Österreich aufkommen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte vor dem Parlament in Berlin: „Wir Nachgeborenen haben versprochen und bekräftigen, dass wir die Schrecken der Geschichte nicht vergessen werden.“ Er fügte hinzu: „Die Opfer verpflichten uns, alle Formen von Diskriminierung und Intoleranz zu ächten und jeder Art des Hasses und der Ausgrenzung entschieden entgegenzutreten.“

Insbesondere Sinti und Roma würden heute weiter stigmatisiert, „auch in Deutschland“. Klischees und Vorurteile gegen die größte ethnische Minderheit in Europa seien immer noch weit verbreitet. Als „Zeichen der Versöhnung“ bezeichnete Lammert den Auftritt des niederländischen Holocaust-Überlebenden Zoni Weisz. In seiner Rede forderte der 73-Jährige mehr Rechte für die Volksgruppe. „Es kann und darf nicht sein, dass ein Volk, das durch die Jahrhunderte hindurch diskriminiert und verfolgt wurde, immer noch ausgeschlossen und jeder ehrlichen Chance auf eine bessere Zukunft beraubt wird“, erklärte er. Der Völkermord an einer halben Million Sinti und Roma sei heute weitgehend ein „vergessener Holocaust“. „Nichts oder fast nichts hat die Gesellschaft daraus gelernt, sonst würde sie verantwortungsvoller damit umgehen.“ So sei es „menschenunwürdig“, wie Sinti und Roma in osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien, aber auch in Italien und Frankreich behandelt würden. In Ungarn tauchten schon wieder vor Geschäften und Lokalen Schilder mit der Aufschrift auf: „Für Zigeuner verboten“. „Die Geschichte wiederholt sich“ warnte Weisz, der die NS-Zeit in einem Versteck überlebte, während seine Eltern und Geschwister sowie 21 weitere Familienangehörige in Konzentrationslagern umkamen.

Der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Avi Primor, sagte bei einer Gedenkfeier in der neuen Mainzer Synagoge, vor fast 66 Jahren habe das grausamste Regime aller Zeiten seinen Untergang gefunden. Nazi-Deutschland habe hauptsächlich aus ideologischen Gründen einen Krieg entfesselt und sei für den Tod von 49 Millionen Menschen verantwortlich. Seit 1996 wird in Deutschland am 27. Januar an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. An diesem Tag hatten sowjetische Soldaten 1945 das Lager Auschwitz erreicht und die Überlebenden befreit. (dpa)