Inmitten der Euro-Krise hat Ungarn den EU-Vorsitz übernommen. Doch das Land ist wegen seiner Medienpolitik umstritten.

Budapest. Ungarn hat am Sonnabend unter dem kritischen Blick seiner Partner als Nachfolger Belgiens für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Zeitgleich trat das umstrittene neue ungarische Mediengesetz in Kraft, das Presse und Rundfunk einer engen Staatskontrolle unterwirft. In der EU und der ungarischen Opposition wird geargwöhnt, das Gesetz bereite einer Zensur den Weg.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat diese Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen. Den Ratsvorsitz seines Landes präsentierte er als Vorteil für die EU, gerade in Krisenzeiten. „Die Ungarn sind (...) ein erprobtes und bewährtes Volk, das viele Krisen meistern konnte, weshalb ich Ihnen sagen kann, dass es eine gute Sache für Europa ist, in diesen Zeiten einen ungarischen Vorsitz zu haben“, sagte Orban in einem Interview, das am Sonnabend auf der Homepage des Europäischen Rats erschien.

Das Mediengesetz sieht die Schaffung eines Aufsichtsamtes vor, dessen Mitarbeiter der Regierungspartei angehören. Hält es eine Berichterstattung für fehlerhaft, drohen hohe Geldstrafen, die für manche Medien den Ruin bedeuten können. Alle ungarischen Oppositionsparteien wollen gegen das Gesetz klagen. Die rechtsradikale Jobbik beanstandete am Freitag, dass Journalisten gezwungen werden könnten, ihre Quellen offenzulegen. Die liberal- grüne Partei LMP monierte, dass die Medienbehörde nach Gutdünken TV- und Radiofrequenzen ohne Ausschreibung vergeben könne.

Die deutsche Bundesregierung, aber auch die Regierungen in Prag und Luxemburg sowie alle maßgeblichen Menschenrechtsorganisationen und Fachverbände kritisieren das Gesetz. Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte Ungarn, die EU-Normen einzuhalten. Die Bundesregierung erwarte, dass Ungarn das Gesetz überarbeitet, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer (FDP).

Sozialdemokraten und Liberale im Europaparlament brachten die Idee ins Spiel, Ungarn notfalls die Ratspräsidentschaft zu entziehen, sollte das Gesetz nicht entschärft werden. Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff sagte WDR 5, das Mediengesetz verstoße gegen europäische Werte. Dagegen warnte der außenpolitische Sprecher der CSU im Europaparlament, Bernd Posselt, vor vorschnellen Urteilen. Die Demokratie in Ungarn sei nicht gefährdet, sagte er WDR 5. Staatsbehörden zur Medienkontrolle gebe es in ähnlicher Form auch in anderen Ländern.

Ungarns Regierungschef Orban wies alle Vorwürfe zurück. Er nannte es „bedauerlich“, dass die internationale Kritik „nichts Konkretes“ enthalte, sondern „nur Befürchtungen und Drohungen“. Entsprechende Gesetze gebe es schon in anderen EU-Staaten. Orbans Sprecherin sagte dazu in der Silvesternacht in Budapest, die Kritik am Gesetz beruhe auf „Missverständnissen“. Gerade während der Ratspräsidentschaft werde Budapest viele Gelegenheiten haben, diese auszuräumen. Orbans Regierung hat eine starke Position, weil seine rechtspopulistische Partei FIDESZ im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt.

Ungarn ist seit 2004 EU-Mitglied und übernahm erstmals die Ratspräsidentschaft. Erklärte Schwerpunkte Budapests für die EU- Arbeit sind eine gemeinsame Donau-Strategie sowie ein europaweiter Plan zum Umgang mit Roma. Ferner stehen die Förderung der kulturellen Vielfalt sowie die EU-Erweiterung auf der ungarischen Agenda. Dabei will sich Budapest vor allem für die EU-Aufnahme Kroatiens stark machen. Als Höhepunkt ist im Mai in Schloss Gödöllö bei Budapest ein Ostpartnerschafts-Gipfel geplant, zu dem auch US-Außenministerin Hillary Clinton angekündigt ist. (dpa/abendblatt.de)