Die Nachrichtenbehörde kontrolliert Sender, Zeitungen und Online-Portale. Das neue Mediengesetz schränkt die Pressefreiheit in Ungarn ein.

Hamburg. Das ungarische Parlament hat ein neues Mediengesetz beschlossen, das die Pressefreiheit einschränkt. Danach wird die Nationale Nachrichtenbehörde (NMHH) alle Journalisten kontrollieren: vom Fernsehen, von Radio und Zeitungen und Online. Bei Regelverstößen kann die Behörde hohe Geldbußen verhängen.

Während das Parlament tagte, demonstrierten vor dem Gebäude in Budapest 15 000 Menschen, überwiegend um die Pressefreiheit besorgte Studenten, die sich über Facebook organisiert hatten. Sie bezeichneten das Mediengesetz als Mittel der Zensur. Die Behörde kann künftig auch private Fernseh- und Rundfunksender sowie Zeitungen und Internetportale unter ihre Kontrolle nehmen - kein gutes Vorzeichen für die im Januar beginnende EU-Ratspräsidentschaft. Bisher hatte NMHH bereits die öffentlich-rechtlichen Medien unter ihrer Aufsicht, wie es auch in anderen EU-Ländern üblich ist. NMHH steht faktisch unter der Kontrolle der Regierung. Ihre Präsidentin Annamaria Szalai wurde vom nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban persönlich für neun Jahre ernannt - länger als zwei Legislaturperioden. Der NMHH-Vorstand besteht ausschließlich aus Vertretern der Regierungspartei Fidesz (Jungdemokraten). Die Aufsicht der Vorgängerorganisation war noch paritätisch besetzt.

Als "völlig inakzeptabel" kritisierte der Hamburger EU-Abgeordnete Knut Fleckenstein das neue Mediengesetz. Die NMHH "unterliegt keiner demokratischen Kontrolle", sagte er dem Abendblatt. "Im Gegenteil, nur die rechtsnationale Regierungsmehrheit wacht über die NMHH in einem scheindemokratischen Medienrat." Die Absicht, die Einschränkung der Medienfreiheit in Ungarn, sei offensichtlich.

"Das Europäische Parlament muss hier eindeutig Stellung beziehen und die ungarische Regierung auffordern, dieses Gesetz zur Einführung von Zensur zurückzunehmen beziehungsweise zu ändern", sagte Fleckenstein weiter. Gerade ein Parlament, das die Freiheit der Medien außerhalb der EU in Drittstaaten immer wieder anmahnt, müsse hier Flagge zeigen.

Die Behörde kann Geldstrafen von bis zu 730 000 Euro gegen private Medien verhängen, wenn diese mit ihren redaktionellen Inhalten gegen das Mediengesetz verstoßen. Als Verpflichtung sind darin eher vage formulierte Kriterien wie die "Ausgewogenheit" der Berichterstattung und die Erfüllung von "Informationspflichten" genannt. Auch die Geschäftsführer der Medien können persönlich mit Bußgeldern belegt werden. Zwar können Betroffene vor Gericht klagen, jedoch hängt es vom Wohlwollen des Richters ab, ob die Geldbuße sofort oder eventuell erst nach Prozessende bezahlt werden muss.

Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass die NMHH in Redaktionen ermitteln und dabei auch als Betriebsgeheimnis geltende Dokumente einsehen und kopieren kann. Nach Ansicht von Kritikern ist dadurch der Schutz der Informanten von Journalisten in Gefahr. Zudem enthält das Gesetz Richtlinien zu Programminhalten: "Politische Propaganda" ist außerhalb der Wahlzeiten nur dann erlaubt, wenn sie mit Volksbefragungen zusammenhängt. Die Befugnis der Behörde, Verordnungen zu erlassen, wurde in der Verfassung verankert.

Die im April ans Ruder gekommene Fidesz-Partei unter Ministerpräsident Orban will damit die eigene Macht zementieren. Auch eine neue Regierung hätte es schwer, all dies rückgängig zu machen, denn dazu bräuchte sie eine Zweidrittelmehrheit.