Bundeskanzlerin Angela Merkel wehrt sich auch beim G20-Gipfel gegen Euro-Bonds, Schuldenprogramme und Abstriche bei Auflagen für Athen. Der internationale Druck wächst, die Kanzlerin bleibt stur.

Los Cabos. Einmal war Angela Merkel dann doch kurz aus dem Konzept gekommen. „Kann mal einer die Fliege fangen“, platzte es leicht entnervt bei einer Pressekonferenz vor dem G20-Gipfel aus ihr heraus. Ansonsten aber präsentierte sich die Kanzlerin in der Runde der Top-Wirtschaftsmächte in Los Cabos fast schon entspannt – als Einzelkämpferin in der Schuldenkrise aber auch fest entschlossen.

Das Treffen der Staats- und Regierungschefs in dem mexikanischen Nobel-Badeort schien bei ihr schon abgehakt, ehe es so richtig begonnen hatte. Nach der Griechenland-Wahl blieb das befürchtete große „Chaos in Los Cabos“ aus. In Gedanken war Gipfel-Routinier Merkel schon wieder ein paar Tage weiter beim nächsten EU-Showdown Ende Juni in Brüssel. Dann wollen die Europäer ein Paket für mehr Wachstum und Jobs schnüren und der Welt zeigen: „Wir schaffen das.“

Auch an den zwei Tagen in dem aus dem Wüstensand hochgezogenen Urlauberparadies reicher Amerikaner waren wieder alle Augen auf Deutschlands oberste Krisenmanagerin gerichtet. Merkel sprach in der großen Runde nach Gastgeber Mexiko als erste. Mit der Rolle der Buh-Frau unter den Euro- und G20-Partnern scheint sie sich abgefunden zu haben. Die Frontlinien zwischen Merkel und der wachsenden Schar ihrer Kritiker zeigten sich auch in Los Cabos: Eine gegen den Rest.

Übertriebene diplomatische Zurückhaltung ließ die deutsche Regierungschefin nicht walten – ob bei den Arbeitsessen, bilateralen Gesprächen im Stundentakt oder in den großen Runden. Auf die Dauerbelehrungen aus Washington reagiert Merkel kühl und verweist gern auf die Versäumnisse der Amerikaner – auf nicht eingehaltene Zusagen bei der Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) etwa oder beim Abbau des gigantischen US-Staatsdefizits.

US-Präsident Barack Obama drängt die Europäer dennoch seit Monaten zu einer Lösung. Er benötigt ein Ende der Euro-Schuldenkrise für seine Wiederwahl im November. Zwei Treffen standen auf der Tagesordnung in Los Cabos, um die hartnäckige Deutsche zu überzeugen. Am Ende des ersten Gipfeltages wollte Obama noch alle Europäer zusammen sprechen. Daraus wurde überraschend nichts.

Das eigentlich wichtigste Treffen beim G20-Gipfel wurde kurzfristig abgesagt. Kein Gesprächsbedarf mehr, hieß es. An anderer Stelle wurde darauf verwiesen, dass es schlicht zu spät geworden sei für den Obama/Europa-Minigipfel. Die Runde könne ja schließlich auch nachgeholt werden. Dabei hieß es zuvor noch vielversprechend, in solchen Gesprächen passiere mehr als im ganz großen G20-Rahmen.

Im ganz kleinen Kreis redeten Obama und Merkel separat etwas länger als geplant. Wieder dürfte es um „Eurobonds“ und Wachstumsprogramme auf Pump gegangen sein. Beides lehnt Merkel ab. Ein Bild der Zerrissenheit und gegenseitiger Belehrungen sollte vermieden werden – nach außen zumindest.

Ein Gipfel der Einigkeit wurde Los Cabos allerdings nicht. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso platzte regelrecht der Kragen. Die Dauerkritik an Europa wies er zurück. Man werde sich hier nicht von irgendjemandem belehren lassen.

Die lange Passage in der G20-Erklärung zur Euro-Zone – auch zur Würdigung bisheriger Schritte – drückten die Europäer durch. Geschlossen, wie es in Delegationskreisen heißt. Richtig weh tut das mühsam austarierte G20-Kommuniqué ohnehin niemanden.

Die Formation der Merkel-Kritiker aus Italien, Frankreich sowie G20-Gast Spanien gibt es weiter. Zu Paris hat sich das Verhältnis abgekühlt. Merkel beklagt offen, die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder drifte auseinander – Frankreich bereite Sorgen.

Nach der Griechenland-Wahl ließ Merkel in Los Cabos allenfalls verhaltene Erleichterung erkennen. Die Kuh ist noch nicht vom Eis, die großen Brocken kommen noch. Der Bericht der „Troika“-Finanzkontrolleure aus EU, EZB und IWF über den Fortgang beim Athener Reformprogramm wird niederschmetternd sein.

Die auch aus Berlin angeheizten Spekulationen über weniger Druck auf die neue Regierung in Athen fing die Kanzlerin in Mexiko wieder etwas ein. „Wir müssen darauf setzen, dass Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt.“ Punkt. Das mit Athen vereinbarte „Rahmenprogramm“ müsse eingehalten werden, ein drittes Hilfsprogramm mit neuen Milliarden an Athen werde es nicht geben.

Verschiebungen auf der „Zeitachse“ schließt das zwar nicht aus. Aber wenn, dann dürfte dies wohl allenfalls ein paar Zugeständnisse beim „Primärüberschuss“ bedeuten. Das heißt, Athen könnte von den internationalen Geldgebern etwas mehr Zeit bekommen, um in den nächsten Jahren irgendwann ein Haushaltsplus vorzulegen, in dem die Belastungen aus Zinsen und Schuldentilgung ausgeklammert sind. Um weitere Reformen aber, so die klare Ansage, kommt Hellas nicht herum.