In Hannover läuten die Sozialdemokraten ihre heiße Wahlkampfphase ein und feiern die Landtagswahlen als Wende.

Hannover. Wie erwartet wurde die Wende beschworen – die Wende im Bundestagswahlkampf. „Jetzt kämpfen wir mit Rückenwind“, rief SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Einen Tag nach den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Saarland läuteten die Sozialdemokraten am Montag auf dem Opernplatz in Hannover offiziell den Wahlkampf ein. Die herben Verluste der CDU zumindest in Thüringen und im Saarland wertete die Parteispitze als Aufbruchssignal. „Die SPD ist zurück“, rief Steinmeier. Seine Anhänger in der Menge recken begeistert „Wir für Frank“-Transparente hoch.

Bei strahlendem Sonnenschein trat der „Frank“ überraschend kämpferisch auf. Oft wurde ihm in den vergangenen Monaten vorgeworfen, er versuche bei seinen Reden vergeblich, Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und dessen Hemdsärmeligkeit bei Wahlkampfauftritten zu imitieren. An diesem Montag brandete bei den 7000 Zuhörern auf der Kundgebung wegen der engagierten und lautstarken Rede des Vizekanzlers nicht nur einmal begeisterter Beifall auf. An der einen oder anderen Stelle bewies der Außenminister sogar Humor und brachte die Menge zum Lachen.

„So habe ich ihn noch nicht erlebt“, sagte ein Zuhörer, der Steinmeier schon öfter erlebt hat. Auch der erfahrene Wahlkämpfer Schröder, der mit seiner Frau Doris gekommen war, klatschte anerkennend. Genau wie Steinmeiers Kompetenzteam, das ebenfalls nach Hannover gekommen war. Die zahlreichen Mitglieder nahmen fast die gesamte Bühne ein und applaudierten unentwegt.

Weit über eine halbe Stunde lang schwor Steinmeier die Parteifreunde auf einen beherzten Schlussspurt in den noch vier verbleibenden Wochen bis zur Wahl am 27. September ein. Die „krachenden Verluste“ der CDU bei den Landtagswahlen hätten gezeigt, dass Schwarz-Gelb „nicht gewollt" sei in diesem Land. „Wer Menschen einlullt, wird abgestraft“, sagte Steinmeier mit Blick auf die vermeintliche Wahlstrategie der Union.

Auch Parteichef Franz Müntefering wertete die Ergebnisse der Landtagswahlen vom Sonntag als politische Wende auf Bundesebene. „In Deutschland ist etwas in Bewegung in der Politik“, sagte er. Die herben Verluste der CDU im Saarland und in Thüringen wertete er als Resultat einer erfolgreichen Wahlkampfes: „Im Wahlkampf sind Dinge veränderbar“, sagte Müntefering. Diese „Lehren“ von Sonntagabend habe man nach Hannover mitgenommen.

Dass die Sozialdemokraten im Saarland ein historisch schlechtes Ergebnis hingelegt und in Sachsen SPD-Landeschef Thomas Jurk wegen der Wahlschlappe am Montag sein Amt als Parteivorsitzender niedergelegt hatte, wurde auf dem Opernplatz so gut wie ausgeblendet. Auch dass die SPD auf Bundesebene seit Monaten kaum über 25 Prozent in der Wählergunst hinauskommt.

Allerdings – auch vor der Bundestagswahl vor vier Jahren waren die Umfragewerte für die SPD lange mies. Ein Sieg von Union und FDP schien lange sicher. Dann starteten Schröder und die SPD eine furiose Aufholjagd und holten die Union fast noch ein. Auch damals hatte der offizielle Wahlkampfauftakt auf dem Opernplatz in Hannover stattgefunden. Deshalb wurde das Spektakel dort am Montag, so die SPD-Wahlkampfstrategen, „aus guter Tradition“ wiederholt.

Hannover sei eben schon immer ein Ort des „Aufbruchs“ gewesen, gab Steinmeier zu bedenken. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten von dort aus Kurt Schuhmacher und Erich Ollenhauer mit dem Wiederaufbau der deutschen Sozialdemokratie begonnen. Und er selbst habe mit Gerhard Schröder in den 1990er Jahren in und von Hannover aus die politische Wende gesorgt: Erst den „Muff“ durch 14 Jahre Landesregierung von Ministerpräsident Ernst Albrecht beseitigt und dann den durch 16 Jahre Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (beide CDU) „weggepustet“.