Die Bundeskanzlerin hat das Tempo für die Lösung der EU-Verfassungskrise erhöht und die Mitgliedstaaten eindringlich dazu aufgerufen, sich bis zur Europawahl 2009 auf einen Verfassungsvertrag zu einigen. Eine Regierungskonferenz soll im Juni die Entscheidungen zur EU-Reform treffen.

Berlin. Mit einem deutlichen Bekenntnis zu Europa und dem dringenden Aufruf zu Reformen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Jubiläumsgipfel der EU in Berlin beendet. Vor Journalisten kündigte die EU-Ratspräsidentin eine Regierungskonferenz zur Lösung der Verfassungskrise der EU unter portugiesischer Präsidentschaft an. Bis Juni werde sie einen Fahrplan "mit inhaltlichen Weichen" vorlegen. Entscheidungen zur EU-Reform müsse dann die Regierungskonferenz treffen. "Der Wille ist da, dass wir Entscheidungen treffen", sagte Merkel nach der feierlichen Unterzeichnung der "Berliner Erklärung".

Es reiche nicht, wenn bis zur Europawahl 2009 etwa nur ein neuer Vertrag unterzeichnet sei, sagte Merkel in Berlin nach dem Ende des EU-Geburtstagsgipfels. Der Erfolg hänge davon ab, "dass das Ganze bis dahin in Kraft tritt", fügte die Kanzlerin hinzu. Sie erinnerte daran, dass auch der vorliegende Verfassungsvertrag die Unterschriften aller 27 EU-Mitglieder trage und dennoch nicht in Kraft sei. Frankreich und die Niederlande hätten den Vertrag in Volksabstimmungen abgelehnt. "Daraus müssen wir die Lehren ziehen."

"Ein Scheitern wäre ein historisches Versäumnis", sagte die amtierende EU-Ratsvorsitzende in ihrer Rede beim EU-Jubiläumsgipfel. Im Rahmen des Festaktes wurde in der Bundeshauptstadt die "Berliner Erklärung" zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge verabschiedet.

"Die innere Ordnung muss der neuen Größe mit 27 Mitgliedstaaten angepasst werden", mahnte Merkel. Die EU braucht mehr und klarere Zuständigkeiten als heute. Sie müsse sicherstellen, dass ihre Institutionen auch mit 27 und mehr Mitgliedstaaten effizient, demokratisch und nachvollziehbar funktionieren. "Es steht viel auf dem Spiel."

In der "Berliner Erklärung" wurde das umstrittene Wort Verfassung vermieden. Merkel wertete es dennoch als Erfolg, dass darin die Formulierung aufgenommen wurde, die EU bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen.

"Wer gehofft hat, dass wir 50 Jahre nach den Römischen Verträgen einen Verfassungsvertrag haben, wird enttäuscht sein", räumte Merkel ein. Wer aber gehofft habe, dass sich Europa der Notwendigkeit bewusst sei, seine innere Verfasstheit zu stärken, dem werde die "Berliner Erklärung" den Weg weisen. "Denn wir wissen, dass wir die politische Gestalt Europas immer wieder zeitgemäß erneuern müssen." Merkel bekräftigte ihr Vorhaben, bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft im Juni einen Fahrplan für das weitere Vorgehen im Verfassungsstreit vorzulegen.

Merkel unterstrich, was auch in der "Berliner Erklärung" festgehalten ist: "Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, wir sind zu unserem Glück vereint." Im Mittelpunkt der EU stehe der Mensch, dessen Würde unantastbar sei. Merkel fügte allerdings hinzu: "Für mich persönlich ergibt sich dieses Verständnis vom Menschen ganz wesentlich aus den jüdisch-christlichen Wurzeln Europas." In der Erklärung wurde ein solcher Hinweis nicht zuletzt wegen des Widerstands Frankreichs nicht aufgenommen.